Kommunalbericht 2022, Nr. 1 - Haushaltslage der Gemeinden und Gemeindeverbände
- 930 Kommunen weiterhin mit Kassendefiziten -
Zusammenfassende Darstellung
Die rheinland-pfälzischen Gemeinden und Gemeindeverbände verzeichneten 2021 in der Gesamtbetrachtung hohe Kassenüberschüsse. Der Saldo von 956 Mio. € war fast fünfmal so hoch wie im Jahr zuvor. Das Kassenplus war jedoch maßgeblich von den Städten Mainz und Idar-Oberstein mit außerordentlich hohen Gewerbesteuereinnahmen bestimmt. Ohne diese Städte übertraf der Saldo mit 244 Mio. € immer noch den Vorjahresbetrag. Wie auch zuvor traten zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den und innerhalb der Gebietskörperschaftsgruppen bei den Finanzierungssalden auf.
Nach dem im Wesentlichen pandemiebedingten Rückgang der Steuereinnahmen im Jahr 2020 (- 290 Mio. €) stiegen diese 2021 um 1.275 Mio. € auf 5.902 Mio. €. Das war der höchste, jemals in der Finanzstatistik dokumentierte Wert. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass fast 60 % des Zuwachses auf die Städte Mainz und Idar-Oberstein entfiel. Trotz des Rekordbetrags lagen die Pro-Kopf-Einnahmen aus Steuern nach wie vor unter dem Durchschnitt der Flächenländer.
Ein Einnahmenplus von 541 Mio. € gab es auch bei den Zuweisungen. Mit 10.669 Mio. € waren sie die mit Abstand größte Einnahmenart. Hierzu trugen – als kommunale Binnenfinanzierung – Kreis- und Verbandsgemeindeumlagen mit 2.712 Mio. € bei.
Insgesamt erreichten die kommunalen Einnahmen im abgelaufenen Jahr 18.072 Mio. €. Das waren 12,0 % mehr als ein Jahr zuvor.
Der seit 2001 anhaltende Anstieg der Ausgaben setzte sich 2021 fort. Der Zuwachs fiel mit 7,4 % (1.181 Mio. €) weit überdurchschnittlich aus. In der Summe betrugen die Ausgaben 17.116 Mio. €. Davon wurden 15.365 Mio. € „konsumtiv“ und 1.750 Mio. € für Investitionen und die Förderung von Investitionen Dritter verwendet.
Wie bereits 2020 tilgten die Gemeinden und Gemeindeverbände mehr Schulden als sie aufnahmen. Ihre Gesamtverschuldung belief sich auf 11.887 Mio. €; das waren 509 Mio. € weniger als im Jahr zuvor. Für investive Zwecke hatten sich die Kommunen mit 6.174 Mio. € verschuldet, während für Liquiditätskredite ein Betrag von 5.714 Mio. € in den Bilanzen stand. Zum „Spitzenwert“ bei der Pro-Kopf-Verschuldung im Ländervergleich von 2.904 € je Einwohner trug im Wesentlichen die hohe Verschuldung aus Liquiditätskrediten bei.
Höchststände bei den Steuereinnahmen und ein den Ausgabenzuwachs übertreffender Anstieg der Gesamteinnahmen entbinden nicht von Konsolidierungsnotwendigkeiten. Denn die in der Gesamtschau gute Entwicklung war vorwiegend auf zwei Kommunen zurückzuführen. Sie erreichte nicht alle Kommunen. 38 % (930) der Gemeinden und Gemeindeverbände verbuchten Kassendefizite von 590 Mio. €.
Die aktuelle Wirtschaftslage mit anhaltend hohen Inflationsraten wird zudem zu einem deutlichen Ausgabenanstieg auch bei den Kommunen führen, dem nicht zwingend adäquate Einnahmenzuwächse gegenüberstehen.
Die für 2023 und 2024 geplanten Zahlungen aus dem kommunalen Finanzausgleich liegen über dem Betrag für 2022. Die künftige Entwicklung steht jedoch aufgrund des vom Verfassungsgerichtshofs vorgegebenen Systemwechsels zu einem bedarfsorientierten Finanzausgleich stetig auf dem Prüfstand. Das Gericht hatte gefordert, das Verfahren zur Bestimmung der Finanzausgleichsleistungen zu verändern. Nicht damit verbunden war die Forderung, den Kommunen mehr Geld zur Verfügung zu stellen.
Eine Entlastung wird mit dem Vorhaben des Landes einhergehen, 3.000 Mio. € der kommunalen Liquiditätskreditverschuldung zu übernehmen. Rechnerisch entfallen bei den Kommunen durch die Teilentschuldung überschlägig künftige Ausgaben von 120 Mio. € jährlich bei Zinsen und Tilgungen. Um dauerhafte Wirkung zu erzielen, muss alles unternommen werden, um dem Aufwuchs erneut hoher Liquiditätskreditbestände entgegenzuwirken und die noch verbleibende Restschuld an Liquiditätskrediten konsequent zurückzuführen.
Der rechtlich seit Langem vorgeschriebene Haushaltsausgleich muss daher auch tatsächlich zum tragenden Prinzip der kommunalen Haushaltswirtschaft werden. Das gilt auch bei sich abzeichnend verschlechternden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Nötigenfalls sind Abwägungen vorzunehmen, für welche Zwecke knappe Mittel eingesetzt werden. Dies gilt insbesondere in krisenhaften Situationen, die mit nur begrenzt beeinflussbaren Ausgabensteigerungen einhergehen. Sofern das nicht ausreicht, darf in letzter Konsequenz auch nicht an der über viele Jahre praktizierten Zurückhaltung bei der Anpassung von Realsteuerhebesätzen festgehalten werden. Das entspricht auch der Auffassung des Verfassungsgerichtshofs, wonach das Land bei der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs von den Gemeinden und Gemeindeverbänden größtmögliche Kraftanstrengungen verlangen kann.
Nur dann können im Interesse nachfolgender Generationen nachhaltige Verbesserungen der kommunalen Finanzlage erreicht werden.