Kommunalbericht 2024, Nr. 1 - Haushaltslage der Gemeinden und Gemeindeverbände
- Personal und Soziales verschlingen zwei Drittel der Steuern und laufenden Landeszuweisungen -
Zusammenfassende Darstellung
Die in der Gesamtbetrachtung gute Kassenlage der rheinland-pfälzischen Kommunen in den Jahren 2021 und 2022 setzte sich 2023 nicht fort. Stattdessen wiesen sie – erstmals wieder seit 2016 – ein Defizit aus. Trugen in den Vorjahren hohe Gewerbesteuereinnahmen der Städte Mainz und Idar-Oberstein zu den Finanzierungsüberschüssen bei, führten beträchtliche Steuerrückgänge bei diesen Städten nunmehr zu einem Kassenminus von 553 Mio. €.
Die kommunalen Finanzierungssalden zeigen erhebliche Unterschiede. 931 Gemeinden und Gemeindeverbände (38 %) schlossen mit Defiziten ab, während 1.523 Kommunen ihre Kassen ausglichen oder sogar Überschüsse erzielten.
Die Kommunen verzeichneten 2023 Steuereinnahmen von 5.964 Mio. € und damit insgesamt 745 Mio. € weniger als im Jahr zuvor. Allein die Stadt Mainz nahm 987 Mio. € weniger an Steuern ein.
Dem Steuerrückgang stand ein Zuwachs bei den Einnahmen aus laufenden Zuweisungen gegenüber (+942 Mio. €), davon ein Plus von 367 Mio. € bei den Landeszuweisungen. Da die Einnahmen aus Kreis- und Verbandsgemeindeumlagen – 2023 insgesamt 3.121 Mio. € (+341 Mio. €) – finanzstatistisch ebenfalls als Zuweisungen erfasst werden, beruhten die Mehreinnahmen insoweit auf Verschiebungen von Finanzmitteln zwischen den Gebietskörperschaftsgruppen.
Den Gesamteinnahmen von 19.396 Mio. € standen Gesamtausgaben von 19.949 Mio. € gegenüber. Der Ausgabenanstieg übertraf mit 1.838 Mio. € sehr deutlich den Einnahmenzuwachs von 346 Mio. €. Die Personalausgaben überschritten mit 4.123 Mio. € erstmals die Schwelle von 4 Mrd. €, gefolgt von den Sozialausgaben mit 3.957 Mio. €. Personal und Soziales beanspruchten zwei Drittel der Einnahmen aus Steuern und Landeszuweisungen.
Die kommunalen Investitionsausgaben (Sachinvestitionen) stiegen 2023 um 183 Mio. € auf 1.904 Mio. €.
Der Schuldenstand entwickelte sich leicht rückläufig. Die Gesamtverschuldung von 11.878 Mio. € lag 83 Mio. € unter dem Vorjahreswert. Die Verschuldung aus der Aufnahme von Investitionskrediten erreichte 6.581 Mio. €, die aus Liquiditätskrediten insgesamt 4.896 Mio. €. 400 Mio. € betrafen sog. Wertpapierschulden. Damit ist Rheinland-Pfalz das Flächenland, dessen Kommunen die höchste Verschuldung je Einwohner aufweisen.
Auch wenn das Kassenergebnis des Jahres 2023 stark von Steuereinnahmeeinbrüchen in zwei Städten geprägt war, lassen die Haushaltsplanungen der Kommunen und die dort ausgewiesenen mittelfristigen Annahmen keine Besserung erwarten. So gingen für 2024 insgesamt 61 % der Landkreise, kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte davon aus, den Haushaltsausgleich zu verfehlen. Nach dem Planungsstand zur Jahresmitte 2024 erwarteten sogar fast 80 % dieser Gebietskörperschaften, auch 2025 den jeweiligen Haushalt nicht auszugleichen.
Zwar beabsichtigt die Landesregierung, im kommenden Doppelhaushalt die im kommunalen Finanzausgleich bereitgestellten Mittel um insgesamt 349 Mio. € zu erhöhen. Zudem soll ein kommunales Investitionsförderungsprogramm im Umfang von 200 Mio. € aufgelegt und die Finanzierung kommunaler Aufgaben mit Flüchtlingsbezug verbessert werden.
Die damit erhofften positiven Wirkungen könnten sich jedoch vor dem Hintergrund der konjunkturellen Entwicklung relativieren. Insbesondere wenn konjunkturbedingt stagnierende oder gar rückläufige Steuereinnahmen auf weiterhin deutlich steigende Personal- und Sozialausgaben treffen, werden die Einnahmen trotz hoher Landeszuweisungen die Ausgaben nicht decken.
Die deutlichen Ausgabenzuwächse des Jahres 2023 belegen erneut, dass Haushaltskonsolidierung zwingend (auch) an den Ausgaben ansetzen muss. Die Prüfungen des Rechnungshofs zeigen, dass hier noch Potenzial sowohl bei den pflichtigen als auch den freiwilligen Aufgaben besteht. Darüber hinaus ist es dringend geboten, dass Bund und Land die Auswirkungen ihrer Gesetzgebung auf die kommunale Ebene stärker berücksichtigen. Die Lösung kommunaler Finanzprobleme liegt auf Dauer nicht allein in der Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel, sondern in einer konsequenten Aufgabenkritik mit dem Ziel der Beschränkung auf das Leistbare.
Das gilt umso mehr, als den Gemeinden und Gemeindeverbänden bereits demografiebedingt zunehmend die personellen Ressourcen fehlen, um alle Aufgaben erfüllen zu können.
Daher ist es wichtig, die kommunalen Gebiets- und Verwaltungsstrukturen daraufhin zu untersuchen, ob diese eine wirtschaftliche und sparsame Haushaltsführung fördern. Eine in diesem Kontext von Gutachtern vorgeschlagene umfassende Gebietsreform verfolgt das Land zurzeit nicht weiter. Ob die stattdessen präferierte Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit ausreichende Wirtschaftlichkeitsrenditen erzeugt, ist zu bezweifeln.
Ein gesteigertes Landesinteresse an geordneten Kommunalfinanzen ergibt sich bereits aus der beträchtlichen Übernahme von Verbindlichkeiten aus kommunalen Liquiditätskrediten im Umfang von 3,0 Mrd. € ab 2024. Diese maßgebliche Teilentschuldung ist nur dann zu rechtfertigen, wenn Kommunen und Kommunalaufsicht einem erneuten starken Aufwuchs konsumtiver Kredite zur Defizitfinanzierung entgegenwirken. Letzteres wird in der Begründung des verfassungsändernden Gesetzes zur Ermöglichung der Teilentschuldung ausdrücklich gefordert.