Erhaltung und Zustand von Brücken in kommunaler Baulast (2021)

Zusammenfassung

Die Gemeinden in Rheinland-Pfalz haben sich im Vergleich zu 2013 intensiver mit dem Thema Brückenprüfung und -erhaltung beschäftigt.

Gemäß § 48 Abs. 2 i. V. m. § 14 LStrG obliegt den Gemeinden als Träger der Straßenbaulast die Überwachung der Verkehrssicherheit als Amtspflichten in Ausübung der öffentlichen Gewalt. Kommt es zu Unfällen, die auf nicht erkannte und beseitigte Schäden und Gefahrenquellen zurückzuführen sind, kann das haftungs- und ggf. strafrechtliche Konsequenzen für die verantwortlichen Amtsträger zur Folge haben.

Mehr als die Hälfte der Gemeinden hat für die Brücken noch kein Bauwerksverzeichnis erstellt. Zudem fehlten Brückenbücher bei rund 30 % und Brückenzustandsdaten bei rund 41 % der Gemeinden.

Nur rund zwei Drittel der Gemeinden führten Brückenprüfungen nach dem Standardregelwerk durch, jedoch in vielen Fällen nicht an allen Brücken. In weiteren 16 % der Gemeinden wurden Prüfungen in "sonstiger Form" – überwiegend nur an wichtigen Brücken – durchgeführt, während in 18 % der Kommunen Brückenprüfungen nur bei Bedarf oder gar nicht durchgeführt wurden.

Insgesamt befindet sich jede fünfte kommunale Brücke oder fast ein Drittel der Brückenfläche in einem kritischen Zustand, wobei sich dieser in den Gemeindeklassen unterschiedlich darstellt.

Der erforderliche Investitionsbedarf für die Erhaltung der kommunalen Brücken einschließlich Ersatzbauten ist auf bis zu 1,4 Mrd. € gestiegen.

Das vorliegende Gutachten knüpft an die Prüfung der Brücken in kommunaler Baulast aus dem Jahr 2013 an und stellt mit Ergebnisvergleichen die seitdem eingetretenen Entwicklungen in den Gemeinden dar. Seit der Prüfung des Rechnungshofs im Jahr 2013 sind erkennbare Fortschritte zu verzeichnen. Verbesserungen wurden insbesondere bei der Datenhaltung, den Brückenprüfungen und bei der Erhaltungsplanung erzielt. Gleichwohl besteht bei vielen Gemeinden noch ein erheblicher Nachholbedarf vor allem bei der Bestandserfassung, der Zustandsauswertung sowie einem systematischen Erhaltungsmanagement.

Straßenverkehrssicherungspflicht und Haftung (Tz. 2)

Regelmäßige Bauwerksprüfungen sind Grundlagen für ein ordnungsgemäßes Erhaltungsmanagement und gehören darüber hinaus zu den Aufgaben, die Straßenbaulastträgern aufgrund ihrer Verkehrssicherungspflicht obliegen. Verzichten Gemeinden darauf, wird die Notwendigkeit von Erhaltungs- und Verkehrssicherungsmaßnahmen oftmals nicht oder zu spät erkannt mit der Folge, dass sich vorhandene Mängel und Schäden vergrößern können und auf die Baulastträger ein erhöhtes Haftungsrisiko zukommt (Tz. 2.1).

Um Gefahren, die den Verkehrsteilnehmern vom Zustand der Straßen und Ingenieurbauwerke drohen, feststellen und beseitigen zu können, sind Gemeinden verpflichtet, das Straßennetz regelmäßig zu kontrollieren. Die Kontrollpflicht beschränkt sich nicht nur auf den unmittelbaren Verkehrsraum, sondern umfasst auch Kontrollen von Straßenbestandteilen, die sich nicht im Eigentum des Straßenbaulastträgers befinden und Gefahrenquellen für den Verkehr darstellen. Bei innerörtlichen Straßen genügt die Gemeinde ihrer Verkehrssicherungspflicht in der Regel, wenn sie eine monatliche Kontrolle durchführt und die dafür zuständigen Gemeindebediensteten geeignete Möglichkeiten haben, Anhaltspunkte für Schäden zu erkennen (Tz. 2.2).

In Einzelfällen lehnten Ortsgemeinderäte die Bereitstellung der für Bauwerksprüfungen erforderlichen Haushaltsmittel ab. Kommt es in derartigen Fällen zu Unfällen, die auf nicht erkannte und beseitigte Bauwerksschäden und Gefahrenquellen zurückzuführen sind, kann das haftungs- und ggf. strafrechtliche Konsequenzen für die verantwortlichen Amtsträger und die Mitglieder der betreffenden Gemeinderäte zur Folge haben. Überdies kann der Versicherungsschutz in der kommunalen Haftpflichtversicherung entfallen.

Bauwerksprüfungen nach dem Standardregelwerk1 und regelmäßige Kontrollmaßnahmen des Straßennetzes und der Brücken sind erforderlich. Schutzwürdige Interessen der Verkehrsteilnehmer haben insoweit Vorrang vor Kostenfragen und der Finanzkraft der verkehrssicherungspflichtigen Kommune (Tz. 2.3).

Brückenprüfung und -erhaltung (Tz. 4)

Die Gemeinden in Rheinland-Pfalz befassten sich seit der Prüfung des Rechnungshofs aus dem Jahr 2013 verstärkt mit dem Thema Brückenerhaltung und brachten verschiedene Maßnahmen auf den Weg, die von der erstmaligen Erfassung des Bauwerksbestandes über durchgeführte Brückenprüfungen mit Zustandsbewertungen bis hin zu Sanierungs- und Erneuerungsmaßnahmen reichten. Gleichwohl fehlten in vielen Gemeinden noch Grundlagen, wie z. B. Bauwerksverzeichnisse und Brückenbücher. Fast 27 % der verbandsfreien Gemeinden und 53 % der Verbandsgemeinden führten keine Bauwerksverzeichnisse und mehr als ein Drittel der Verbandsgemeinden keine Brückenbücher mit den wesentlichen Bauwerksangaben und -unterlagen. Ein Sechstel der verbandsfreien Gemeinden und fast die Hälfte der Verbandsgemeinden verfügten über keine aussagekräftigen Zustandsdaten oder Zustandsauswertungen für ihre Brücken. Damit waren wichtige Voraussetzungen für die Durchführung von Brückenprüfungen und Instandsetzungen nicht erfüllt (Tz. 4.2).

Zum Zwecke der Inventarisierung des kommunalen Brückenbestands ist es sinnvoll, ein Bauwerksverzeichnis zu führen, das digital vorgehalten und gepflegt wird. Als Grundlage für die Durchführung von Bauwerksprüfungen - nicht zu verwechseln mit den laufenden Besichtigungen und Beobachtungen im Zuge der Straßenkontrollen - sind Brückenbücher unverzichtbar. Darin sind auch die durchgeführten Brückenprüfungen und Instandsetzungen zu vermerken.

Während vor 2013 lediglich 26 % der Gemeinden Brückenprüfungen durchgeführt hatten, waren es jetzt zwei Drittel, die ihre Brücken vollständig (48 %) oder zumindest teilweise (17 %) nach den hierfür geltenden technischen Regelwerken prüften. Grundsätzlich sollten Gemeinden die nach dem Standardregelwerk vorgegebenen Prüfzyklen und den Prüfumfang einhalten, um z. B. Schadensausbreitungen und Restnutzungsdauern zu ermitteln sowie anstehende Sanierungen unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit beurteilen zu können. Mit Blick auf Extremwetterereignisse wird empfohlen, dass Kommunen Brückenprüfungen mit Vulnerabilitätsanalysen verbinden sowie Hochwasser- und Starkregenvorsorgekonzepte erstellen. Im Anschluss an Brückenprüfungen sollte zeitnah ein Abschlussgespräch des verantwortlichen Fachbereichs mit dem Prüfpersonal geführt und dokumentiert werden, in dem konkrete Maßnahmen zur Beseitigung von Mängeln und Schäden festgelegt werden.

Aus einigen Prüfberichten ging hervor, dass viele Gemeinden ihre Brücken nicht nach den Vorgaben des Standardregelwerkes geprüft hatten. So wurden häufig Prüfzyklen nicht eingehalten, einfache Prüfungen vernachlässigt und Bauwerke nicht vollständig, sondern lediglich visuell und ohne Hilfsmittel geprüft. In diesem Zusammenhang kritisierten einige Bauverwaltungen die Vorgaben der Regelwerke zum Prüfumfang sowie zu den Prüfzyklen, die für große und vielbefahrene Talbrücken wie für kleine und wenig belastete Wegebrücken gleichermaßen gelten würden. Der Rechnungshof regt an – unter Einbeziehung von Sachverständigen – zu untersuchen, ob und unter welchen Voraussetzungen Standards für vereinfachte Brückenprüfungen festgelegt werden können (Tzn. 4.3 und 4.4).

Mehr als ein Viertel der Gemeinden versäumte es, die Brückenprüfungen zu dokumentieren. Andere Kommunen unterließen Brückenprüfungen aufgrund des subjektiv als gut eingeschätzten Bauwerkszustands oder sie waren der Auffassung, Prüfungen auf verkehrswichtige Brücken beschränken zu können (Tzn. 4.4.2 bis 4.4.4).

Eine präventive Erhaltungsstrategie verfolgten lediglich 23 Gemeinden (12,7 %) und nur jede fünfte Gemeinde verfügte über ein mittel- bis langfristiges Sanierungskonzept für ihre Brücken. Insgesamt mussten 395 Brücken nach Brückenprüfungen vollgesperrt, teilgesperrt oder umgehend instandgesetzt werden (Tz. 4.5).

Brückenzustand (Tz. 5)

Insgesamt befindet sich jede fünfte kommunale Brücke oder fast ein Drittel der Brückenfläche in einem kritischen Zustand (Note 3 und schlechter2). Der Brückenzustand stellt sich in den Gemeindeklassen jedoch unterschiedlich dar. In den kreisfreien Städten mit mehr als 80.000 Einwohnern, die Baulastträger von rund 55 % der Brückenfläche aller Gemeinden in Rheinland-Pfalz sind, befinden sich 17,5 % der Brücken oder mehr als 40 % der Brückenfläche in einem kritischen Zustand (Tz. 5.2.1.1). In den übrigen kreisfreien Städten betrifft dies 15,7 % (Tz. 5.2.1.3), in den verbandsfreien Gemeinden 18,7 % (Tz. 5.2.2.1) und in den Verbandsgemeinden 24 % der Brücken (Tz. 5.2.2.3), d. h. etwa jede fünfte Brücke in den verbandsfreien Gemeinden und etwa jede vierte Brücke in den Verbandgemeinden sind umgehend sanierungsbedürftig.

Es wird empfohlen, die für die Verkehrsinfrastruktur zuständigen kommunalen Gremien jährlich über die jeweiligen Bauwerkszustände zu informieren, damit die Bauverwaltungen rechtzeitig erforderliche Maßnahmen zur Bauwerkserhaltung ergreifen können.

Erhaltungsbedarf und -ausgaben (Tz. 6)

Während der Rechnungshof 2013 einen Nachholbedarf von rd. 800 Mio. € für die Brückenerhaltung in den rheinland-pfälzischen Gemeinden festgestellt hatte, ergab eine erneute Ermittlung auf Grundlage der Angaben der Gemeinden und eigener auf dem Bauwerkszustand und der Brückenfläche beruhenden Berechnungen einen Investitionsbedarf von bis zu 1,4 Mrd. € für die Erhaltung einschließlich Ersatzbauten.3

Etwa drei Viertel des Investitionsbedarfs für die Brückenerhaltung entfallen auf die Städte Ludwigshafen am Rhein, Koblenz, Mainz, Trier, Kaiserslautern und Worms. Den mit Abstand höchsten Erhaltungsbedarf für Brücken hat die Stadt Ludwigshafen am Rhein, die mit 704 Mio. € fast die Hälfte des gesamten Erhaltungsbedarfs aller Kommunen aufweist. Danach folgen Koblenz mit 188 Mio. €, Mainz mit 94 Mio. €, Trier mit 30 Mio. € sowie Kaiserslautern mit 16 Mio. € und Worms mit 11 Mio. €. Der durchschnittliche Erhaltungsbedarf beträgt bei den kreisfreien Städten mit weniger als 80.000 Einwohnern rd. 6,8 Mio. €, bei den verbandsfreien Gemeinden rd. 2,5 Mio. € und bei den Verbandsgemeinden rd. 1,9 Mio. € (Tz. 6.2).

Die kreisfreien Städte haben ihre durchschnittlichen Ausgaben je Quadratmeter Brückenfläche im Vergleich zu den vom Rechnungshof 2013 festgestellten Ausgaben von 12,44 €/m² auf im Mittel 29,17 €/m² deutlich erhöht (+ 134,5 %). Gleichwohl wird das nicht ausreichen, um den überaus schlechten Brückenzustand in Zukunft wirksam zu verbessern. Vor allem die Städte Ludwigshafen am Rhein und Mainz werden ihre Anstrengungen zum Bauwerkserhalt deutlich erhöhen müssen, um langfristig einen besseren Brückenzustand zu erreichen.

Die durchschnittlichen jährlichen Erhaltungsausgaben in den verbandsfreien Gemeinden sind im Vergleich zu den 2013 erhobenen Daten um mehr als zwei Drittel auf nunmehr 11,19 €/m² zurückgegangen, während sie in den Verbandsgemeinden mit 44,51 €/m² nominal nahezu konstant geblieben sind (Tz. 6.3).

Gemeinden mit sanierungsbedürftigen Brücken sollten frühzeitig Überlegungen anstellen, wie und in welchem Umfang Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen sind. Zweckmäßig ist die Aufstellung eines Sanierungsplans mit kurz-, mittel- und langfristigen Realisierungszeiträumen sowie Maßnahmenkosten. Ein in kommunalen Gremien abgestimmter Sanierungsplan erhöht die Akzeptanz für die Bereitstellung von Mitteln für die Bauwerkserhaltung und bietet zudem Planungssicherheit für einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren. Unter Textziffer 7 wurden für jede Gemeindeklasse die speziellen Empfehlungen für ein systematisches Erhaltungsmanagement zusammengefasst.

Holzbrücken (Tz. 8)

Insgesamt befinden sich 667 Holzbrücken in der Baulast von Gemeinden. Damit besteht jede zehnte kommunale Brücke oder jede Dritte der 1.935 kommunalen Rad- und Fußwegebrücken aus Holz (Tz. 8.1). Aus Brückenprüfberichten ging hervor, dass sich zahlreiche Holzbrücken in einem schlechten Zustand befinden. Aufgrund mangelhafter Pflege, Wartung und Instandsetzung erreichen sie häufig nicht die reguläre Nutzungsdauer und müssen vorzeitig ersetzt werden. Dies liegt daran, dass vor allem bei älteren Holzbrücken der konstruktive Holzschutz nicht oder nur unzureichend beachtet wurde.

Ein Nachteil der Holzbauweise im Vergleich zu anderen Bauweisen liegt in der geringen Fehlertoleranz in der Planung und Bauausführung. Häufige Nass-Trocken-Wechsel, UV-Strahlung sowie Pilz- und Insektenbefall können den Werkstoff Holz erheblich schädigen und sich nachteilig auf die Haltbarkeit von Holzbauteilen auswirken. Daher sind an die Planung und Ausführung von Holzbrücken material- und konstruktionsbedingt hohe Anforderungen zu stellen.

Neben fundierten Fachkenntnisse der Werkstoffeigenschaften und des konstruktiven Holzschutzes sind die Beauftragung fachkundiger Planer und Holzbaufirmen sowie eine von der Planung bis zur Ausführung durchgängige Qualitätskontrolle und -sicherung durch den Bauherrn erforderlich. Letzteres ist nach Prüfungserfahrungen des Rechnungshofs insbesondere in Verbandsgemeinden, die über kein technisch fachkundiges Personal verfügen, meistens nicht gewährleistet. Ein ausreichender Feuchtigkeitsschutz kann erreicht werden, wenn Holzbrücken überdacht werden oder der Überbau von Verbundkonstruktionen so ausgebildet wird, dass das darunterliegende Holztragwerk dauerhaft vor Feuchtigkeit geschützt ist (Tz. 8.3).

Wirtschaftliche Alternativen zu Kleinbrücken und Kreuzungsbauwerken (Tz. 9)

Viele insbesondere ältere Kleinbrücken sowie Kreuzungsbauwerke, wie Verrohrungen und Durchlässe genügen häufig nicht den Anforderungen an die Gewässerökologie und den Hochwasserschutz. Bei Starkregen und Hochwasser kann es zur Überstauung und der Ansammlung von Treibgut am Durchfluss kommen mit der Gefahr von Überschwemmungen. Zudem sind derartige Kreuzungsbauwerke häufig schlecht zugänglich, wodurch eine ordnungsgemäße Unterhaltung erschwert wird.

Für Kreuzungsbauwerke im Verlauf von verkehrsarmen Wirtschafts- und Waldwegen bietet sich ein Rückbau an, wenn sie einen zu geringen Durchflussquerschnitt aufweisen oder ihre Nutzungsdauer erreicht haben. In diesen Fällen kann der Bau von Furten an Bächen und Gräben eine ökologisch und wirtschaftlich vorteilhafte Alternative sein (Tz. 9.1). In Anlage 4 sind Beispiele für Furten aufgeführt, die in Rheinland-Pfalz realisiert wurden.


  1. Für standardisierte Brückenprüfungen gelten die Vorgaben der DIN-Norm 1076 sowie der Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 (RI-EBW-PRÜF).
  2. Erläuterung der Zustandsnoten s. Tz. 5.1, Abbildung 26: Klassifizierung der Zustandsnoten nach RI-EBW-PRÜF 2017.
  3. Die 2013 und 2021 ermittelten Werte sind nicht exakt vergleichbar. So wurde der Erhaltungsbedarf bei der Prüfung 2013 ausschließlich auf Grundlage der Zustandsnoten errechnet. Aufgrund der unzureichenden Datenqualität konnten damals Ersatzbauten, die mit deutlich höheren Baukosten verbunden sind als Instandsetzungen, bei der Be-rechnung des Nachholbedarfs nicht berücksichtigt werden.