Jahresbericht 2022, Nr. 4 - Steuerliche Berücksichtigung von Kindern

- technische Möglichkeiten nicht ausgeschöpft -

Wesentliches Ergebnis der Prüfung

Die Finanzämter ließen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Pauschbeträge wegen Behinderung des Kindes häufig bei mehreren Steuerpflichtigen gleichzeitig zu Unrecht zum Abzug zu. Als Folge setzten sie Einkommensteuern von 150.000 € zu niedrig fest.

Die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung von Kindern mit eigenem Einkommen erkannten die Finanzämter nicht immer. So wurden 200.000 € Einkommensteuern nicht festgesetzt.

Das Risikomanagementsystem sah einen maschinellen steuernummernübergreifenden Abgleich anhand der Identifikationsnummer des Kindes nicht vor. Dadurch wurde der mehrfache Ansatz der Abzugsbeträge sowie die Pflicht zur Veranlagung nicht immer erkannt.

 

Forderungen des Rechnungshofs · Stellungnahmen der Landesregierung · Parlamentarische Behandlung

(Teilziffer 3 des Jahresberichtsbeitrags)

3.1 Zu den nachstehenden Forderungen wurden die gebotenen Folgerungen bereits gezogen oder eingeleitet:

Der Rechnungshof hatte gefordert,

a) die maschinelle Verarbeitung der Anlage Kind ohne IdNr durch Abbruchhinweise zu unterbinden,

b) bis zu einem zunächst auf den Länderspeicher beschränkten steuernummernübergreifenden Abgleich von Steuererklärungen Listen mit Fällen einer möglichen mehrfachen Berücksichtigung von Begünstigungsbeträgen zu erstellen und von den Finanzämtern überprüfen zu lassen,

c) darauf hinzuwirken, dass ein erneuter Ansatz von bereits verwendeten eDaten zum Abbruch der Veranlagung führt,

d) den Pauschbetrag für Menschen mit Behinderungen nicht mehr ohne den erforderlichen Antrag zu gewähren.

3.2 Folgende Forderungen sind nicht erledigt:

Der Rechnungshof hat gefordert,

a) darauf hinzuwirken, dass ein zunächst auf den Länderspeicher beschränkter maschineller steuernummernübergreifender Abgleich von Steuererklärungen untereinander und mit elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen umgesetzt wird,

b) auf eine gesetzliche Pflicht zur Angabe der IdNr des Kindes auf der Anlage Kind hinzuwirken,

c) über die Ergebnisse der eingeleiteten Maßnahmen zu Nr. 3.1 zu berichten.

Die Landesregierung hat für das Entlastungsverfahren zu dem Beitrag folgende Stellungnahme abgegeben (Drucksache 18/3200 S. 3):

"Zu Ziffer 3.2 a):
Es wird eine Anfrage an das Land Nordrhein-Westfalen gestellt, ob ein maschineller steuernummernübergreifender Abgleich von Steuererklärungen untereinander und mit elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen möglich ist.

Zu Ziffer 3.2 b):
Die geforderte Rechtspflicht zur Angabe der steuerlichen Identifikationsnummer (IDNr) des Kindes in der Steuererklärung als formale Voraussetzung für kindbedingte Steuerermäßigungen wird die Landesregierung in einem geeigneten steuerlichen Gesetzgebungsverfahren im Rahmen der Bundesratsbeteiligung Vorbringen. Das vom Bundesfinanzministerium bereits für nach der parlamentarischen Sommerpause angekündigte Steueraktualisierungsgesetz erscheint hierfür geeignet. Ein solcher Vorstoß zur gesetzgeberischen Intervention könnte von Bund und Ländern allerdings zurückhaltend aufgenommen werden, weil die Angabe der IDNr höchstwahrscheinlich auch untergesetzlich auf der Grundlage der Gestaltung der Vordrucke zur Einkommensteuererklärung im Verwaltungsvollzug durchgesetzt werden könnte. Das Landesamt für Steuern hat die Finanzämter in Fortbildungsmaßnahmen bereits auf die Bearbeitungsmängel hingewiesen. Die Landesregierung geht deshalb davon aus, dass auch insoweit jedenfalls die auf einer fehlerhaften manuellen Sachbearbeitung beruhenden Fehlerquellen durch die Informationen und Nachschulungen des Landesamtes für Steuern inzwischen abgestellt worden sind.

Zu Ziffer 3.2 c) i. V. m. Ziffer 3.1 a):
Ende 2021 wurde in einer gemeinsamen Bund-Länder-Sitzung entschieden, dass die Generierung eines Abbruchhinweises bei fehlender IdNr nicht umgesetzt wird bis eine gesetzliche Grundlage geschaffen wurde. Die Landesregierung hält die Abweichung von einer bundeseinheitlichen Lösung nicht für zielführend.

Zu Ziffer 3.2 c) i. V. m. Ziffer 3.1 b):
Es ist vorgesehen, zunächst eine Auswertung auf dem Festsetzungsspeicher durchzuführen, in der sämtliche Fälle im Land mit IdNrn und Begünstigungen aufgelistet werden, die sowohl seitens der Eltern als auch der Kinder beantragt werden können (z. B. KV/PV-Beiträge; Freibetrag für Behinderungen).
In einem zweiten Schritt wird geprüft, ob

  • Begünstigungen von beiden Elternteilen gleichzeitig jeweils auf der Anlage KIND geltend gemacht wurden (identische IdNr bei den Kindern mit jeweils gleichen Begünstigungen) oder
  • Begünstigungen sowohl bei den Eltern als auch bei den jeweiligen Kindern in Anspruch genommen wurden (IdNrn-Abgleich auf der Anlage KIND mit denen von steuerpflichtiger Person A oder B).

Eine solche Auswertung wird angestrebt mit dem Ziel, den Finanzämtern Listen mit potentieller Doppelberücksichtigung von Steuerbegünstigungen auf der Anlage KIND zur Verfügung zu stellen.

Zu Ziffer 3.2 c) i.V. m. Ziffer 3.1 c):
Die Einführung eines Abbruchhinweises für bereits verwendete und betragsmäßig übereinstimmende eDaten wurde vom Landesamt für Steuern bei den zuständigen Bund-Länder-Gremien vorgebracht; sie wird derzeit in den zuständigen Arbeitsgruppen diskutiert. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor.

Zu Ziffer 3.2 c) i. V. m. Ziffer 3.1 d):
Die Finanzämter wurden durch das Landesamt für Steuern bereits in Fortbildungsveranstaltungen, insbesondere zum Start der Veranlagungskampagne, auf die festgestellten Bearbeitungsmängel hingewiesen. Sie wurden hierbei insbesondere dafür sensibilisiert, dass die kindbezogenen, elektronisch vorliegenden Angaben (sog. eDaten) nicht doppelt verwendet werden und ein Pauschbetrag für Behinderung nicht ohne entsprechenden Antrag auf die Eltern übertragen werden darf. Laut Rückmeldung der Finanzämter war die antragslose Übertragung der Pauschbeträge auf eine falsch verstandene Serviceorientierung der Finanzämter zurückzuführen; die Eltern sollten in einer Art vorauseilendem Gehorsam nicht mit vermeintlich auf der Fland liegenden Nachfragen belästigt werden. Die Kennzeichnung bereits für eine Einkommensteuerveranlagung verwendeter eDaten soll künftig verhindern, dass dieselben Angaben bei einerweiteren Veranlagung und damit doppelt steuermindernd berücksichtigt werden."

Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vor­schlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag folgenden Beschluss empfohlen (Drucksache 18/4302 S. 4):

"Es wird zustimmend zur Kenntnis genommen, dass

a) eine Liste von Steuerfällen mit potenzieller Doppelberücksichtigung von Steuerbegünstigungen auf der Anlage Kind erstellt und den Finanzämtern zur weiteren Überprüfung zur Verfügung gestellt wird,

b) Bedienstete der Steuerverwaltung in Fortbildungsveranstaltungen darauf hingewiesen wurden, Pauschbeträge für Behinderung von den Kindern auf die Eltern nur bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags zu übertragen.

Die Landesregierung wird aufgefordert, über das Ergebnis

a) des Verfahrens zur Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur Angabe der Identifikationsnummer des Kindes auf der Anlage Kind,

b) der Erörterungen der Bund-Länder-Gremien zur Einführung eines Abbruchhinweises zur Vermeidung einer mehrfachen Verwendung von elektronisch übermittelten Daten,

c) ihrer Anfrage an das Land Nordrhein-Westfalen zur Möglichkeit eines steuernummernübergreifenden maschinellen Abgleichs von Daten aus Steuererklärungen untereinander und mit Daten von elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen

zu berichten."

Der Landtag hat diesen Beschluss im November 2022 gefasst.

Die Landesregierung hat dem Landtag wie folgt berichtet (Drucksache 18/5310 S. 3)

"Zu Buchstabe a):
Es wurde im Gesetzgebungsverfahren zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 im Rahmen der Bundesratsbeteiligung ein Antrag zu Art. 4 Nr. 3 und 5a auf Anpassung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) und § 32 Abs. 6 EStG gestellt. Dieser wurde seitens des Bundesrats angenommen und der Bundesregierung vorgelegt. Der Steuergesetzgeber hat den Vorschlag zwischenzeitlich in Art. 4 Nr. 4 und 8 des Jahressteuergesetzes 2022 vom 16. Dezember 2022 (BGBl 2022 I 2294) aufgegriffen.

Zu Buchstabe b):
Dem Anliegen, die Einführung eines Abbruchhinweises zur Vermeidung einer mehrfachen Verwendung von elektronisch übermittelten Daten in das zuständige Bund- und Ländergremium zur Beratung einzubringen, ist das Landesamt für Steuern nachgekommen. Das Ergebnis der Prüfung steht noch aus und wird nachgereicht.

Zu Buchstabe c):
Die Anfrage an das Land Nordrhein-Westfalen zur Möglichkeit eines steuernummernübergreifenden maschinellen Abgleichs von Daten aus Steuererklärungen untereinander und mit Daten von elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen wurde gestellt. Das Ergebnis der dortigen Prüfung steht noch aus."

Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vorschlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag empfohlen, die Landesregierung aufzufordern, "über

die Ergebnisse

– der Beratungen zur Einführung eines Abbruchhinweises zur Vermeidung einer mehrfachen Verwendung von elektronisch übermittelten Daten,

– der Anfrage an das Land Nordrhein-Westfalen zur Möglichkeit eines steuernummernübergreifenden maschinellen Abgleichs von Daten aus Steuererklärungen untereinander und mit Daten von elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen"

möglichst bald zu berichten (Drucksache 18/7526 S. 19).

Der Landtag hat diesen Beschluss im September 2023 gefasst.

Die Landesregierung hat dem Landtag wie folgt berichtet (Drucksache 18/8603 S. 36):

"Zum ersten Spiegelstrich:
Im Rahmen der Sitzung der AG ESt V/2023 vom 18. bis 22. September 2023 wurde Folgendes beschlossen: Bei fehlender ID-Nummer des Kindes auf der Anlage KIND wird ein Abbruchhinweis ausgegeben und der Fall zur personellen Prüfung ausgesteuert. Die Finanzämter sind angehalten, mit dem Steuerpflichtigen Kontakt aufzunehmen und die ID-Nummer des Kindes zu erfragen. Um die Anzahl der nachzubearbeitenden Fälle möglichst gering zu halten, hat die Prüfgruppe ESt/LSt beschlossen, bei ELSTER einen sogenannten Rothinweis aufzunehmen, sodass eine Steuererklärung nicht per ELSTER übermittelt werden kann, soweit bei einer Anlage KIND für ein Inlandskind die ID-Nummer nicht eingegeben wurde.

Zum zweiten Spiegelstrich:
Die Möglichkeit eines steuernummernübergreifenden maschinellen Abgleichs von Daten aus Steuererklärungen untereinander und mit Daten von elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen, wird durch das Land Nordrhein-Westfalen weiterhin geprüft. Die ersten Ergebnisse der Prüfung zeigen, dass sich ein solcher Abgleich als sehr schwierig erweist und die technische Umsetzung mit großem Aufwand verbunden ist. Darüber hinaus muss die Auswertung in mehreren Stufen erfolgen. Das Ergebnis der Prüfung steht derzeit noch nicht fest und wird nachgereicht. Weitergehende Einflussmöglichkeiten bestehen aktuell nicht. Die Rückmeldungen der federführenden Länder sind abzuwarten."

Die Landesregierung hat dem Landtag wie folgt berichtet (Drucksache 18/9553 S. 34):

"Zum ersten Spiegelstrich:
Eine Aufdeckung von Sachverhalten, in denen elektronisch übermittelte Daten mehrfach verwendet werden, soll bundesweit künftig mit Hilfe des Pilotprojekts „Bereitstellung Gesamtfall“ in KONSENS erfolgen. Die Referatsleitungen Automation (Steuer) und Referatsleitungen Organisation (Steuerverwaltung) haben im Februar 2024 der dafür notwendigen Erweiterung der bestehenden Zentrale Produktions- und Servicestelle Betrieb „Fachdienste“ um den Betrieb des Pilotprojekts „Bereitstellung Gesamtfall“ zugestimmt.
Mit Einführung dieses Pilotprojekts sollen durch die Bereitstellung eines vollständigen Gesamtfalls aller Ordnungskriterien im Bundesgebiet zu einem Ordnungsmerkmal (IdNr/W-IdNr) Prüfungen ermöglicht werden, welche die mehrfache Verwendung elektronisch übermittelter Daten aufdecken und ggf. zu einer Hinweisausgabe an den Bearbeiter führen. Sollten beispielsweise sowohl das Kind (als Versicherungsnehmer) als auch ein Elternteil (welches für das Kind Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld hat und die Beiträge wirtschaftlich getragen hat) Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge als Sonderausgaben geltend machen, wird dies im Rahmen der Bereitstellung des Gesamtfalls erkannt und ein entsprechender Hinweis an den Bearbeiter ausgegeben.
Der zeitliche Beginn der Pilotierung steht noch nicht fest bzw. wurde von KONSENS noch nicht kommuniziert. Weitergehende Einflussmöglichkeiten stehen aktuell nicht zur Verfügung."

Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vor­schlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag empfohlen, die Angelegenheit im Rahmen des Entlastungsverfahrens für erledigt zu erklären (Drucksache 18/10344 S. 21).

Der Landtag hat diesen Beschluss im September 2024 gefasst.