Jahresbericht 2020, Nr. 4 - Risikomanagement bei der Einkommensteuerveranlagung
- Qualitätssicherung genügt nicht den Anforderungen -
Wesentliches Ergebnis der Prüfung
Nach den gesetzlichen Vorgaben muss die Steuerverwaltung durch die umfassende Prüfung zufällig ausgewählter Steuerfälle die Wirksamkeit der Risikomanagementsysteme gewährleisten. Dieser Anforderung wird die Bearbeitungspraxis in Rheinland-Pfalz nicht gerecht.
Die Finanzämter haben die Fälle der Zufallsauswahl nicht gründlicher bearbeitet als die übrigen. Der Rechnungshof hat bei 60 % der in seine Erhebungen einbezogenen Veranlagungen teilweise erhebliche Bearbeitungsmängel festgestellt, die zu Steuermindereinnahmen von 175.000 € geführt haben.
Konkrete Vorgaben für die Fallbearbeitung, insbesondere zu Prüfungsumfang und -intensität, fehlten. Dadurch war nicht auszuschließen, dass Steuerfälle nach uneinheitlichen Kriterien bearbeitet und Steuerausfallrisiken nicht erkannt wurden.
Die regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Zielerfüllung durch die zuständigen Bund-Länder-Arbeitsgruppen beruhte zum größten Teil auf Fällen der Zufallsauswahl. Wegen der Bearbeitungsmängel war nicht sichergestellt, dass bundesweite Entscheidungen auf der Grundlage einer verlässlichen Datenbasis getroffen wurden.
Forderungen des Rechnungshofs · Stellungnahmen der Landesregierung · Parlamentarische Behandlung
(Teilziffer 3 des Jahresberichtsbeitrags)
3.1 Zu den nachstehenden Forderungen wurden die gebotenen Folgerungen bereits gezogen oder eingeleitet:
Der Rechnungshof hatte gefordert, darauf hinzuwirken, dass
a) Steuerfälle aus der Zufallsauswahl personell vollumfänglich geprüft werden,
b) die Datengrundlagen zur Bearbeitung der Steuerfälle optimiert werden,
c) die Finanzämter ihre Aktenführung verbessern und ihr Verwaltungshandeln nachvollziehbar dokumentieren.
3.2 Folgende Forderungen sind nicht erledigt:
Der Rechnungshof hat gefordert,
a) für die Bearbeitung von Steuerfällen aus der Zufallsauswahl Vorgaben insbesondere zum Prüfungsumfang und zur Prüfungsintensität zu erarbeiten,
b) die Sachgebietsleitungen der Finanzämter verstärkt an einer einheitlichen und den Vorgaben genügenden Bearbeitung der Fälle der Zufallsauswahl zu beteiligen,
c) im Hinblick auf die Evaluierung des maschinellen Risikomanagementsystems die detaillierte Untersuchung einer ausreichenden Zahl von Einzelfällen der Zufallsauswahl in die Analysen des Landesamts einzubeziehen.
Die Landesregierung hat für das Entlastungsverfahren zu dem Beitrag folgende Stellungnahme abgegeben (Drucksache 17/11850 S. 3):
"Zu Ziffer 3.2 a):
Ausgehend von der Änderung des § 88 der Abgabenordnung durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18. Juli 2016 hat das Landesamt für Steuern bereits Maßnahmen ergriffen, um die Anwendung der risikoorientierten Fallbearbeitung zu verbessern. Hierzu wurden im Zeitraum von März 2017 bis Mai 2018 alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Veranlagungsstellen im Umgang mit dem Risikomanagement sensibilisiert. Die Orientierungsprüfung wurde mit Schreiben vom 24. August 2017 vom Rechnungshof angekündigt. Daher entfällt die vom Rechnungshof geprüfte Bearbeitungsweise auf Veranlagungszeiträume, die im Wesentlichen vor der gesonderten Schulungsmaßnahme geendet haben. Zwischenzeitlich sind die Änderungsquoten im Vergleich zum Veranlagungszeitraum (VZ) 2014 erheblich gestiegen (VZ 2017 +9,6 %, VZ 2018 Auswertungszeitraum 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2019 +10,17 %).
Die Steuerverwaltung ist fortwährend bestrebt, die Arbeitsabläufe sowie die Bearbeitungsqualität zu verbessern. Daher werden derzeit auch die bestehenden Regelungen zur Bearbeitung der Zufallsauswahl, u. a. bezüglich Prüfungsumfang und Prüfungsintensität, überarbeitet. Ein Entwurf zur Anpassung der Regelung zur Konkretisierung der Bearbeitungsvorgaben wurde zwischenzeitlich erstellt und im Intranet der Steuerverwaltung veröffentlicht.
Zu Ziffer 3.2 b):
Auf Bund-Länder-Ebene wird derzeit ein neues Konzept zum Zeichnungsrecht erarbeitet. Im Rahmen dieses Konzeptes werden künftig auch einige Fälle der Zufallsauswahl unter den Zeichnungsvorbehalt der Sachgebietsleitungen (SGL) fallen. Auch jetzt können bereits Fälle der Zufallsauswahl der SGL-Zeichnung unterliegen, wenn sie nach anderen Kriterien unter den Zeichnungsvorbehalt der SGL fallen. Die weitere Entwicklung hinsichtlich der Umsetzung des Zeichnungsrechts bleibt abzuwarten.
Darüber hinaus wurde den Bearbeiterinnen und Bearbeitern im Rahmen der Fortbildungen „Start der Veranlagung“ empfohlen, die Fälle der Zufallsauswahl innerhalb der Großbezirke zentralisiert zu bearbeiten. So kann auch auf diesem Weg eine Qualitätssteigerung sichergestellt werden.
Zu Ziffer 3.2 c):
Für die Evaluierung des maschinellen Risikomanagementsystems sind unterschiedliche Bund-Länder-Arbeitsgruppen zuständig. Federführend ist die KONSENS-Arbeitsgruppe „Evaluation und Risikoregeln“ (AG EVA). Das Landesamt für Steuern ist in allen EVA-Unterarbeitsgruppen vertreten und beteiligt sich an den dort vergebenen Evaluierungsaufträgen. Im Rahmen dieser Evaluierungen werden nicht nur Standardauswertungen gesichtet, sondern auch Einzelfälle überprüft. Die Erkenntnisse dieser Evaluierungen werden im Rahmen der Unterarbeitsgruppen EVA bewertet und führen häufig zur Anpassung und Verbesserung des Regelwerks. Von einer darüber hinausgehenden Untersuchung von Einzelfällen auf Landesebene außerhalb der KONSENS-Arbeitsgruppen wird abgesehen. Ein Vorhalten von doppelten Prüfstrukturen würde dem Gedanken einer effizienten Verwaltung widersprechen."
Der Rechnungshof nimmt bei Bedarf zum Bericht der Landesregierung Stellung.
Zu Ziffer 3.2 b:
Zur Stellungnahme der Landesregierung zur Forderung, die Sachgebietsleitungen der Finanzämter verstärkt an einer einheitlichen und den Vorgaben genügenden Bearbeitung der Fälle der Zufallsauswahl zu beteiligen, merkt der Rechnungshof an:
Die Bedeutung der Fälle der Zufallsauswahl für das maschinelle Risikomanagement rechtfertigt es, diese Fälle grundsätzlich als fachliches Kriterium für das Zeichnungsrecht der Sachgebietsleitungen zu berücksichtigen.
Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vorschlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag folgenden Beschluss empfohlen (Drucksache 17/12710 S. 4):
"Es wird zustimmend zur Kenntnis genommen, dass Bedienstete der Steuerverwaltung in Fortbildungs- und Schulungsveranstaltungen auf die Notwendigkeit einer umfassenden personellen Prüfung der Fälle der Zufallsauswahl sowie einer korrekten Kennzahlenerfassung und auf die Bedeutung einer sorgfältigen Datenpflege für das maschinelle Risikomanagementsystem sowie die Dokumentationspflicht hingewiesen wurden.
Die Landesregierung wird aufgefordert,
a) über die Anpassung der Vorgaben für die Bearbeitung von Steuerfällen der Zufallsauswahl, insbesondere zum Prüfungsumfang und zur Prüfungsintensität, zu berichten,
b) in dem zu erstellenden Konzept zum Zeichnungsrecht auf die Aufnahme der Fälle der Zufallsauswahl als fachliches Kriterium für den Zeichnungsvorbehalt der Sachgebietsleitungen hinzuwirken und über das Ergebnis dieser Bemühungen zu berichten."
Der Landtag hat diesen Beschluss im August 2020 gefasst.
Die Landesregierung hat dem Landtag wie folgt berichtet (Drucksache 17/14372 S. 3):
"Zu Buchstabe a):
Das Landesamt für Steuern hat die Vorgaben für die Bearbeitung von Steuerfällen der Zufallsauswahl hinsichtlich Prüfungsumfang und -intensität angepasst und im Rahmen des Leitfadens „RMS-Veranlagung 2.0“ unter Teilziffer 4.6 am 15. Juli 2020 im Allgemeinen Informationssystem der Finanzämter (AIS) veröffentlicht.
In dem neuen Leitfaden wird die Bedeutung der Zufallsauswahl hinsichtlich der Qualitätssicherung und Präventionswirkung ausführlicher erläutert.
Darüber hinaus wird der Gesamtfall klar definiert und u. a. darauf hingewiesen, dass dieser personell umfassend, also unabhängig von gegebenenfalls vorhandenen gedanklichen Betragsgrenzen zu prüfen ist und insbesondere auch Beträge zu prüfen sind, die außerhalb der Zufallsauswahl möglicherweise ungeprüft geblieben wären. Es wird erläutert, dass zur Unterstützung der Gesamtfallprüfung auch bei der Zufallsauswahl als mögliche Anhaltspunkte weitere Hinweise angezeigt werden, eine Beschränkung der Prüfung auf diese Sachverhalte jedoch nicht zulässig ist. Außerdem wird eine schlüssige, nachvollziehbare Dokumentation des Prüfungsergebnisses ausdrücklich angewiesen. Als weitere Hilfestellung hat das Landesamt für Steuern den Bearbeiterinnen und Bearbeitern eine Beispielliste zur Veranschaulichung möglicher Prüfungen im Rahmen der Zufallsauswahl zur Verfügung gestellt.
Zu Buchstabe b):
Im Hinblick auf den Vorschlag des Rechnungshofs zur Aufnahme der Fälle der Zufallsauswahl als fachliches Kriterium für den Zeichnungsvorbehalt der Sachgebietsleitungen in das zu erstellende Konzept zum Zeichnungsrecht wurden seitens des Landesamts für Steuern die zuständigen Arbeitsgruppen angeschrieben. Eine Rückmeldung steht noch aus."
Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vorschlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag empfohlen, die Landesregierung aufzufordern,
"über die Entscheidung zur Aufnahme der Fälle der Zufallsauswahl als fachliches Kriterium für den Zeichnungsvorbehalt der Sachgebietsleitungen in das zu erstellende Konzept zum Zeichnungsrecht"
möglichst bald zu berichten (Drucksache 18/1075 S. 21):
Der Landtag hat diesen Beschluss im September 2021 gefasst.
Die Landesregierung hat dem Landtag wie folgt berichtet (Drucksache 18/2128 S. 47):
"Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Organisation hat sich in der Sitzung I/2021 gegen die Aufnahme der Fälle der Zufallsauswahl als fachliches Kriterium für einen Zeichnungsvorbehalt der Sachgebietsleitungen in das Konzept zur Umsetzung eines maschinellen Zeichnungsrechts ausgesprochen.
Hintergrund ist, dass es im Konzept bereits eine Stichprobenauswahl gibt und daneben keine weitere Stichprobenprüfung eingeführt werden soll, die einen Sachgebietsleitungsvorbehalt auslöst. Nach Ansicht der Ländermehrheit wird die vorgesehene Stichprobenprüfung als ausreichend erachtet, zumal ein Teil der Fälle der RMS-Zufallsauswahl über diese Stichprobe ohnehin zur Sachgebietsleitung gelangt."
Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vorschlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag empfohlen, die Angelegenheit im Rahmen des Entlastungsverfahrens für erledigt zu erklären (Drucksache 18/4302 S. 22).
Der Landtag hat diesen Beschluss im November 2022 gefasst.