Nr. 1 Haushaltslage der Gemeinden und Gemeindeverbände
- zunehmende Verschuldung trotz gestiegener Einnahmen -
Die Haushalte der rheinland-pfälzischen Gemeinden und Gemeindeverbände schlossen 2016 mit einem Defizit von 15 Mio. € ab. Die in der Gesamtbetrachtung vergleichsweise geringe Finanzierungslücke darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass 53 % der Kommunen, darunter neun kreisfreie Städte, ihr kassenmäßiges Ergebnis nicht ausgeglichen hatten.
Bei den Steuereinnahmen setzte sich das seit 2010 anhaltende Wachstum fort. Mit 4,2 Mrd. € lagen sie geringfügig über dem Vorjahresniveau. Dennoch wurden mit 1.033 € je Einwohner niedrigere Pro-Kopf-Einnahmen als im Durchschnitt der übrigen Flächenländer (1.197 € je Einwohner) erzielt. Dies lag u. a. an den vergleichsweise moderaten Hebesätzen der Realsteuern. Vor allem die kreisfreien Städte könnten ihre Haushalte rechnerisch ausgleichen, indem sie ihre Hebesätze an den Länderdurchschnitt angleichen.
Auch die Einnahmen aus Schlüsselzuweisungen waren 2016 wieder gestiegen. Sie übertrafen mit 1,5 Mrd. € den Vorjahreswert um fast 9 %.
Die Sozialausgaben verzeichneten mit einem Plus von 327 Mio. € (12 %) den stärksten Zuwachs aller Ausgabenpositionen. Sie waren mit 3,1 Mrd. € erstmals deutlich höher als die Personalausgaben (2,9 Mrd. €).
Ende 2016 betrug die Gesamtverschuldung der Kernhaushalte 12,5 Mrd. €, somit 207 Mio. € mehr als im Jahr zuvor. Die Pro-Kopf-Verschuldung war mit 3.142 € fast doppelt so hoch wie der Länderdurchschnitt. Das Ausmaß der Schuldenproblematik wird anhand von zwei Betrachtungen erkennbar:
Fünf der zehn je Einwohner am höchsten verschuldeten Städte Deutschlands lagen in Rheinland-Pfalz.
Allein die Stadt Kaiserslautern ist aus Liquiditätskrediten doppelt so hoch verschuldet wie alle baden-württembergischen und bayerischen Gemeinden und Gemeindeverbände zusammen.
Im Jahr 2017 werden aufgrund der vergleichsweise guten Konjunktur- und Beschäftigungslage die kommunalen Steuereinnahmen voraussichtlich weiter steigen. Gleiches gilt für die ebenfalls von der Steuereinnahmenentwicklung geprägten Leistungen des Landes im kommunalen Finanzausgleich. Ob diese Rahmenbedingungen ausreichen, um den Kommunen zumindest ausgeglichene Finanzierungssalden oder gar dauerhaft Überschüsse zu verschaffen, bleibt offen. Dies gilt zumindest dann, wenn die Ausgaben für soziale Leistungen ähnlich stark anwachsen wie im Vorjahr.
Solche Überschüsse werden benötigt, um dringend erforderliche Investitionen und Unterhaltungsmaßnahmen, insbesondere beim Infrastrukturvermögen, durchzuführen, ohne dafür neue Schulden aufzunehmen.
Der auf den Abbau der hohen Altschulden ausgerichtete Kommunale Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz verschafft den am Fonds teilnehmenden Gemeinden und Gemeindeverbänden zwar etwas „Luft“ durch Tilgungsleistungen. Solange jedoch netto jedes Jahr mehr Schulden aufgenommen als zurückgeführt werden, ergeben sich aus dem Fonds keine nachhaltigen Effekte.
Die Kommunen in Rheinland-Pfalz dürfen daher in ihren Eigenanstrengungen zur Erreichung des Haushaltsausgleichs nicht nachlassen. Die Handlungsmöglichkeiten sind noch nicht ausgeschöpft, wie auch der diesjährige Kommunalbericht erneut aufzeigt.
Nr. 2 Kindertagesstätten
- erhebliche Einsparpotenziale bei den Personal- und Sachkosten -
Das Land sowie die Gemeinden und Gemeindeverbände gaben 2015 zusammen 1,3 Mrd. € für den Betrieb und den Bau von Kindertagesstätten aus. Das war mehr als doppelt so viel wie 2006. Im Ländervergleich fielen in Rheinland-Pfalz mit 8.857 € je betreutes Kind die höchsten Ausgaben an. Die anderen westlichen Flächenländer wandten im Durchschnitt 7.690 € je Kind auf.
Eine Prüfung bei 113 Kindertagesstätten kommunaler und freier Träger zeigte, dass sich die hohen Ausgaben und deren dynamische Entwicklung nicht durch die Personalschlüssel der Kindertagesstätten erklären lassen, sondern vornehmlich folgende Ursachen hatten:
Die rheinland-pfälzischen Förderungs- und Finanzierungsregelungen geben den Trägern der Kindertagesstätten kaum Anreize, bedarfsgerechte und wirtschaftliche Angebotsstrukturen zu wählen. Stattdessen bieten sie zahlreiche Möglichkeiten, den Trägeranteil zu minimieren.
Über die verpflichtende Personalausstattung hinaus können die Einrichtungen nach Genehmigung durch die Jugendämter unter bestimmten Voraussetzungen zusätzliches Erziehungspersonal einsetzen. Viele Einrichtungen beschäftigten solches Personal, ohne dass hierfür ein Bedarf nachgewiesen war.
Das rheinland-pfälzische System der Personalbemessung nach genehmigten Gruppen und Plätzen führt zwangsläufig zu Mehrausgaben. Die Zahl der gemeldeten Kinder reichte oft nicht aus, um die Gruppen vollständig zu belegen. In diesen Fällen wurde eine Personalausstattung für mehr Kinder vorgehalten, als zu betreuen waren. Anfang März 2016 waren dadurch rechnerisch 12.000 Plätze nicht belegt. Der Personalaufwand hierfür betrug 90 Mio. € jährlich.
Die Personalausstattung orientierte sich an der zum Ende des Kindergartenjahres erwarteten Belegung. Zu diesem Zeitpunkt fallen Belegungsspitzen an, sodass eine hierauf bezogene Personalstärke für weite Teile des Jahres wegen geringerer Nachfrage nicht benötigt wurde. Würde dagegen - wie in Hessen - der Personalbedarf anhand der Belegung zum 1. März eines Jahres ermittelt, könnten landesweit schätzungsweise 8.000 Plätze und damit Personalaufwand von 60 Mio. € jährlich eingespart werden.
Zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz von Kindern unter drei Jahren wurde auch in Rheinland-Pfalz die Ausstattung der Einrichtungen mit sog. U3-Plätzen erheblich ausgeweitet. Allerdings waren Anfang 2016 von fast 42.000 Plätzen für Kinder unter drei Jahren 12.000 nicht oder nicht altersentsprechend belegt. Da für Gruppen mit U3-Kindern andere Personalschlüssel mit höherer Personalausstattung gelten, verursachte die „Fehlbelegung“ Personalkosten von rechnerisch 60 Mio. € jährlich.
Die Träger hatten ihr Angebot an Ganztagsplätzen zunehmend ausgebaut, obwohl das die Nachfrage nicht erforderte. So waren im März 2016 mindestens 11.000 Plätze nicht oder nicht mit ganztags zu betreuenden Kindern belegt. Die Vorhaltekosten für das Personal betrugen 10 Mio. € jährlich.
Allein die Personalbemessung nach Gruppen und nach erwarteten Belegungszahlen zum Ende des Kindergartenjahres sowie die nicht bedarfsgerechte Vorhaltung von U3- und Ganztagsplätzen verursachten Ausgaben von 220 Mio. € jährlich. Andere Bedarfskriterien und eine Anpassung der Personalausstattung an die Belegung könnten die Ausgaben spürbar mindern.
Auch der Hortplätze zur Betreuung von Schulkindern in Kindertagesstätten hätte es nicht im vorgehaltenen Umfang bedurft. So hatte eine kreisfreie Stadt Hortplätze eingerichtet, obwohl ausreichende Betreuungsangebote an Ganztagsschulen vorhanden waren. Ihr entstanden dadurch Mehrausgaben von 3 Mio. € jährlich.
Weitere vermeidbare Aufwendungen waren auf übertarifliche Eingruppierungen des Personals der Kindertagesstätten sowie auf zu geringe Leistungsanforderungen bei der Gebäudereinigung zurückzuführen. Beiträge für die Mittagsverpflegung sowie für die Betreuung in Krippen und Horten wurden nicht immer im erforderlichen Umfang erhoben.
Vereinbarungen der Kommunen mit freien Trägern von Einrichtungen zur freiwilligen Übernahme von Kosten enthielten oftmals für die Gemeinden nachteilige Regelungen. Die von den Gemeinden eingegangenen Verpflichtungen waren in einzelnen Fällen höher als die Aufwendungen, die beim Betrieb eigener Kindertagesstätten angefallen wären.
Arbeits- und Fehlzeiten des Personals wurden oftmals nur unzureichend dokumentiert, sodass nicht nachvollziehbar war, ob die arbeitsvertraglichen Zeiten erbracht worden waren.
Nr. 3 Öffentliche Musikschulen
- höherer Kostendeckungsgrad ist erforderlich -
In Rheinland-Pfalz werden 31 öffentliche Musikschulen von kommunalen Trägern betrieben. Daneben werden elf weitere öffentliche Musikschulen in privater Trägerschaft von kommunalen Gebietskörperschaften maßgeblich finanziert. Im Jahr 2014 wendeten die rheinland-pfälzischen Kommunen insgesamt 33,6 Mio. € für die öffentlichen Musikschulen auf. Nach Abzug der Einnahmen aus dem Musikschulbetrieb verblieb ein Fehlbetrag von 15 Mio. €.
Vereinzelt hatten Kommunen ihre Musikschulen als Eigenbetriebe organisiert. Bei Eigenbetrieben fallen gegenüber Regiebetrieben zusätzliche Kosten an, etwa für eigene Organe und die externe Jahresabschlussprüfung. Seit Einführung der kommunalen Doppik bietet die Rechtsform des Regiebetriebs eine Eigenbetrieben gleichwertige Möglichkeit zur betriebswirtschaftlichen Steuerung.
Die privaten Träger konnten wegen fehlender Tarifbindung die Musikschulen in der Regel kostengünstiger führen als die kommunalen Träger. Jedoch lassen sich auch bei kommunalen Musikschulen Kostenvorteile erzielen, wenn im Rahmen der rechtlichen und organisatorischen Möglichkeiten mehr als bisher Honorarkräfte zur Unterrichtserteilung eingesetzt würden.
Die Einnahmen aus Unterrichtsgebühren der kommunalen Musikschulen deckten die Ausgaben 2015 lediglich zu 43 %. Bei einem sachgerechten Kostendeckungsgrad von 50 % könnten die jährlichen Defizite um 2,3 Mio. € verringert werden.
Kaum eine kommunale Musikschule hatte ihre Gebühren entsprechend den gesetzlichen Vorgaben kalkuliert.
Bei den Gebührensätzen der kommunalen Musikschulen gab es teilweise erhebliche Unterschiede. Zudem hatten einige Musikschulen unterdurchschnittliche Gebührensätze bei gleichzeitig überdurchschnittlichen Kosten.
Die Regelungen für Gebührenermäßigungen waren zu großzügig. So ermöglichten Sozialermäßigungen oder die vorgesehene Kumulation mehrerer Ermäßigungstatbestände teilweise die gebührenfreie Nutzung der Musikschulen.
Die Ausgaben für das pädagogische Personal der kommunalen Musikschulen machten 2015 insgesamt 87 % der Gesamtausgaben von 28,8 Mio. € aus. Bei einem wirtschaftlicheren Einsatz der Lehrkräfte ließen sich spürbare Haushaltsverbesserungen realisieren:
1,1 Mio. € mithilfe des Ausbaus des Gruppenunterrichts,
0,6 Mio. € bei einem sachgerechten Ausgleich des Ferienüberhangs und
1,5 Mio. € durch Erhöhung des Unterrichtsanteils von Honorarkräften.
Vermeidbarer Personalaufwand entstand durch eine überhöhte Eingruppierung von Leitungskräften.
Mit einer Änderung der Verteilungsmaßstäbe für die Landesförderung könnten zusätzliche Wirtschaftlichkeitsanreize für die Musikschulen gesetzt werden.
Nr. 4 Kommunale Finanzstatistik
- Validität durch fehlerhafte Meldungen beeinträchtigt -
Die von den rheinland-pfälzischen Kommunen an das Statistische Landesamt gemeldeten Daten für die Jahresrechnungsstatistik und die Kassenstatistik enthalten jedes Jahr eine Vielzahl an Fehlern. Allein in den kommunalen Meldungen zur Jahresrechnungsstatistik 2014 traten 4.600 unzulässige Kombinationen aus Produkten und Konten auf. Diese betrafen ein Finanzvolumen von 1,6 Mrd. €.
Bei der Prüfung von sieben kreisfreien Städten wurden zum Teil erhebliche Mängel bei den Meldungen zur Jahresrechnungsstatistik und zur Kassenstatistik festgestellt. Diese hatten insbesondere folgende Ursachen:
- Die Jahresabschlüsse wurden häufig verspätet aufgestellt. Die bei den Abschlussarbeiten durchgeführten Berichtigungen, Umbuchungen und sonstigen Änderungen konnten daher nicht mehr in den Statistiken des jeweiligen Jahres berücksichtigt werden.
Die kommunalen Konten- und Produktpläne entsprachen nicht immer den finanzstatistischen Anforderungen. Zahlungsvorgänge wurden in der Folge unzutreffend nachgewiesen.
Fehlerhafte Einstellungen in den IT-Verfahren führten dazu, dass Ein- und Auszahlungen in den Meldungen zur Jahresrechnungsstatistik anderen Konten zugeordnet wurden als in den Meldungen zur Kassenstatistik. Auch wurden Zahlungen nicht immer den Berichtsjahren zugeordnet, in denen sie kassenwirksam geworden waren.
Geschäftsvorfälle wurden auf unzutreffenden Produkten und Konten gebucht.
Die finanzstatistisch vorgeschriebene Abgrenzung von Zahlungen nach Herkunft, Empfänger und Laufzeit (Bereichsabgrenzung) war häufig fehlerhaft.
Einige Städte saldierten unzulässigerweise Ein- und Auszahlungen.
Daneben trugen organisatorische Unzulänglichkeiten zur Fehlerhaftigkeit statistischer Meldungen bei:
Die Städte prüften ihre Daten in der Regel nicht auf Plausibilität, bevor sie diese dem Statistischen Landesamt übermittelten.
Mitteilungen des Statistischen Landesamts über fehlerhafte Daten blieben unbeachtet, sodass die Daten in den Folgejahren erneut korrigiert werden mussten.
Die Mängel in den statistischen Meldungen beeinträchtigen die Aussagekraft der kommunalen Finanzstatistiken. Dies ist insofern bedenklich, da die Ergebnisse der Finanzstatistik als Grundlage für Entscheidungen in Politik, Verwaltung und Rechtsprechung dienen. Auch Aufsichtsbehörden, kommunale Spitzenverbände und Rechnungshöfe nutzen die Angaben zur Beurteilung der Finanzlage von Gebietskörperschaften sowie für interkommunale Vergleiche. Darüber hinaus werden der Finanzstatistik Basisdaten zur Stabilitätsberichterstattung über den Finanzierungssaldo des Sektors Staat an das Statistische Amt der Europäischen Union entnommen.