Jahresbericht 2023, Nr. 9 - Asservatenverwaltung bei den Polizeibehörden
- unzulängliche IT-Unterstützung, Verwahrung verbesserungsbedürftig, Regelungen mangelhaft -
Wesentliches Ergebnis der Prüfung
Die für die Asservatenverwaltung eingesetzten IT-Verfahren waren veraltet und genügten den spezifischen Anforderungen an eine recht- und ordnungsmäßige Asservatenverwaltung nicht mehr. Daten, die bei den Asservatenstellen erfasst wurden, waren oft unvollständig, fehlerhaft und nicht mehr aktuell. Auswertungen zu Kontroll- und Steuerungszwecken waren ebenso wenig möglich wie ein automatisierter Datenaustausch u. a. mit den zuständigen Justizbehörden.
Die Registrierung, Kennzeichnung und Aufbewahrung der sichergestellten Gegenstände entsprach vielfach nicht den rechtlichen Vorgaben. Eine eindeutige Identifizierung und Verfahrenszuordnung war dadurch nicht durchgängig sichergestellt. Dies war bei asservierten Betäubungsmitteln, Bargeld oder Wertgegenständen sowie erlaubnispflichtigen Schusswaffen besonders problematisch.
Asservierungen wurden häufig nicht oder nicht rechtzeitig beendet. In der Folge wurden verwahrte Gegenstände nicht an die Berechtigten herausgegeben oder verwertet.
Einheitliche, konkretisierende Regelungen für eine ordnungsgemäße Erfassung, Verwahrung und abschließende Verwertung von Asservaten fehlten.
Forderungen des Rechnungshofs · Stellungnahmen der Landesregierung · Parlamentarische Behandlung
(Teilziffer 3 des Jahresberichtsbeitrags)
3.1 Zu den nachstehenden Forderungen wurden die gebotenen Folgerungen bereits gezogen oder eingeleitet:
Der Rechnungshof hatte gefordert,
a) die IT-Unterstützung für eine ordnungsgemäße Asservatenverwaltung zeitnah zu optimieren und ein einheitliches Verfahren sicherzustellen,
b) die Asservate vollständig und nachvollziehbar zu registrieren und eindeutig zu kennzeichnen,
c) die ordnungsgemäße Verwahrung, Vernichtung und Verwertung von Asservaten insgesamt sicherzustellen, insbesondere von Betäubungsmitteln, erlaubnispflichtigen Schusswaffen sowie von Spurenträgern, und einheitliche und konkretisierende Festlegungen zu treffen,
d) verwahrtes Bargeld, das nicht im Original vorgehalten werden muss, auf ein Verwahrkonto einzuzahlen,
e) die Asservierungen regelmäßig zu überprüfen und diese rechtzeitig zu beenden,
f) sich bei den erforderlichen Regelungen zur Asservatenverwaltung mit den zuständigen Justizbehörden abzustimmen.
3.2 Folgende Forderungen sind nicht erledigt:
Der Rechnungshof hat gefordert, über die Ergebnisse der eingeleiteten Maßnahmen zu Nr. 3.1 zu berichten.
Die Landesregierung hat für das Entlastungsverfahren zu dem Beitrag folgende Stellungnahme abgegeben (Drucksache 18/6307 S. 16):
"Zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 a):
Mit der Umstellung des Vorgangsbearbeitungssystems von POLADIS auf @rtus wird nach momentanem Planungsstand auch die Erfassung und Verwaltung von Asservaten mit @rtus durchgeführt. Dies stellt jedoch nur einen Zwischenschritt dar. Mittelfristig ist der Umstieg auf eine bundeseinheitliche Softwarelösung geplant, die vom Zentralprogramm Polizei 20/20 zur Verfügung gestellt wird. Das Programm Polizei 20/20 beschäftigt sich mit der länderübergreifenden Vereinheitlichung polizeilicher IT-Systeme. Das entsprechende Projekt hierzu nennt sich eAMS (einheitliches Asservaten-Management-System).
Zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 b):
Über die von der Polizeiabteilung des Ministeriums des Innern und für Sport eingerichtete landesweite Arbeitsgruppe „Interne Revision bei der Polizei Rheinland-Pfalz“ (AG „Interne Revision“) wurde die vollständige Registrierung aller Asservate, die Reduzierung der Altbestände sowie die Erhebung zeitnah umsetzbarer Optimierungsmöglichkeiten für das genutzte elektronische Asservatensystem ("Quick-Wins") beauftragt.
Bis zur Einführung des in den Ausführungen zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 a) genannten elektronischen Erfassungssystems kommen der verstärkten Dienst- und Fachaufsicht sowie der Fortbildung ein hohes Maß an Bedeutung zu.
Hierzu wird durch das Ministerium des Innern und für Sport eine landesweit geltende Rahmenkonzeption erstellt werden, die den kompletten Weg eines Asservates von Beginn an bis zur Abgabe an die Staatsanwaltschaft bzw. die endgültige Entscheidung zur weiteren Asservatenbehandlung (Verwertung, Rückgabe etc.) abbildet. Diese Regelung soll in enger Abstimmung mit dem Ministerium der Justiz erfolgen.
Zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 c):
Um der ordnungsgemäßen und sachgerechten Verwahrung von Asservaten gerecht zu werden, wurde bereits die bedarfsorientierte Verbesserung der Ausstattung der vorhandenen Asservatenräume initiiert. In diesem Zuge wurden auch die Schließsysteme sowie der Arbeits- und Brandschutz überprüft.
Beispielhaft werden die baulichen Gegebenheiten der Asservatenstelle am Standort Enkenbach-Alsenborn einer Optimierung unterzogen, um einerseits den sicherheitstechnischen Richtlinien des Landeskriminalamts zu entsprechen und andererseits die Lagerung der Asservate übersichtlicher und nachvollziehbarer zu gestalten.
Weitere Anpassungen können erst nach der vorzunehmenden Konkretisierung der Vorgaben (siehe Ausführungen des Rechnungshofs zu Ziffer 2.6) erfolgen.
In Bezug auf den Umgang mit asservierten Betäubungsmitteln wurde der nachgeordnete Bereich sensibilisiert. Insbesondere hatten die Polizeipräsidien ihre diesbezüglichen Regelungen zu überprüfen und ggf. anzupassen. Darüber hinaus war auch hier die Dienst- und Fachaufsicht zu erhöhen.
Im Rahmen der Arbeit der AG „Interne Revision“ wurde zudem die Festlegung/Durchführung von Kontrollen beschlossen.
Bei einer Überprüfung des Bestandes wurden die Polizeipräsidien angewiesen, die Bestände von eingelagerten Waffen im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit zu reduzieren.
Die Aufbewahrung und fachgerechte Lagerung von Waffen erfolgt grundsätzlich beim Polizeipräsidium „Einsatz, Logistik und Technik“, insbesondere bei den Asservatenstellen an den Standorten Wittlich-Wengerohr und Enkenbach-Alsenborn.
Dort werden auch Asservate für Dritte bis zum Abschluss des jeweiligen Verfahrens aufbewahrt. Nach Abschluss des Verfahrens erfolgt entweder die Herausgabe des Asservats oder aber dessen Vernichtung durch die zuständige Waffenwerkstatt.
Um zukünftig der zeitgerechten Herausgabe oder Vernichtung der Asservate gerecht zu werden, erfolgen nunmehr turnusmäßige Abfragen bei den jeweils zuständigen Dienststellen, ob neue Entscheide in den einzelnen Verfahren vorliegen.
Für die Behandlung von Spurenträgern muss die sog. „Obhutskette[1]" besondere Berücksichtigung finden. Hierzu wurde im Rahmen der AG „Interne Revision“ die Ablauforganisation überprüft. Mittelfristig ist es das Ziel, die Verfahrensweise in das neue Vorgangsbearbeitungssystem zu implementieren. Kurzfristig müssen hier die bereits vorhandenen Kontroll- und Ablaufmechanismen engmaschig im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht überprüft werden.
Letztlich soll auch der Prozess bei der Asservaten-Verwertung optimiert werden; entsprechende Ansätze wurden bereits im Zuge der AG „Interne Revision“ erkannt.
Zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 d):
Auch im Bereich des Bargeldes wurde die Kontrolle im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht verschärft. Durch engmaschigere Kontrollen, die Einführung des 6-Augen-Prinzips und die angestrebte Ausstattung mit „Safe-Bags“ zur Überführung von Bargeld zur Justizkasse soll der Umgang mit Bargeld weiter professionalisiert werden.
Zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 e):
Nach den Rückmeldungen der Polizeipräsidien aus dem Auftrag, alle Asservierungen – und insbesondere die Altfälle – zu überprüfen, konnten inzwischen diese Altfälle deutlich reduziert werden. In einem weiteren Schritt können nun auf Grundlage dieser Ergebnisse zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der Justiz handhabbare Anleitungen zum Umgang mit Asservaten entwickelt werden, durch die in erster Linie erreicht werden soll, dass – soweit möglich – zeitnah Asservatenentscheidungen ergehen und an den richtigen Adressaten gelangen.
Zu Ziffer 3.2 i.V.m. 3.1 f):
Derzeit wird – in Auswertung der Ergebnisse der AG „Interne Revision“ – eine landeseinheitliche Rahmenkonzeption erstellt. Die diesbezüglichen Vorarbeiten sind erledigt, regelmäßige Abstimmungen auch mit dem Ministerium der Justiz finden statt.
Die Novellierung bzw. die Anpassung des Gemeinsamen Rundschreibens aus 2010 als interministerielle Regelung der beiden Häuser wird in diesem Zusammenhang erfolgen."
Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vorschlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag folgenden Beschluss empfohlen (Drucksache 18/7526 S. 8):
"Es wird zustimmend zur Kenntnis genommen, dass
a) das fachlich zuständige Ministerium die IT-Verfahren zeitnah optimieren und mit der Umstellung des polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystems die Defizite der bisherigen IT-Verfahren beheben wird, damit eine vollständige Registrierung aller Asservatenbestände erfolgt,
b) das fachlich zuständige Ministerium bereits eine bedarfsorientierte Verbesserung der vorhandenen Asservatenräume eingeleitet hat und die räumlichen Defizite entsprechend beheben wird,
c) die Polizeibehörden bezüglich asservierter Betäubungsmittel, Waffen, Spurenträger, Bargeldbestände und Wertgegenstände im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht sensibilisiert wurden und eine ordnungsgemäße Asservierung insbesondere dieser Asservate zukünftig sichergestellt ist,
d) die Polizeipräsidien die Zahl der asservierten Altfälle deutlich reduzieren konnten, zukünftig Asservierungen rechtzeitig beendet und hierzu gemeinsam mit den Justizbehörden handhabbare Anleitungen entwickelt werden sowie
e) das fachlich zuständige Ministerium gemeinsam mit dem Ministerium der Justiz die Regelungen im Rundschreiben Asservate überarbeitet, damit eine ordnungsgemäße und wirtschaftliche Asservatenverwaltung sichergestellt ist und insbesondere Asservierungen rechtzeitig beendet werden können.
Die Landesregierung wird aufgefordert, über die Umsetzung der eingeleiteten Maßnahmen zu a) und b) sowie d) und e) zu berichten."
Der Landtag hat diesen Beschluss im September 2023 gefasst.
Die Landesregierung hat dem Landtag wie folgt berichtet (Drucksache 18/8603 S. 9):
"Zu Buchstabe a):
Die Polizei Rheinland-Pfalz arbeitet an der Umstellung des Vorgangsbearbeitungssystems sowie der dazugehörigen digitalen Asservatenverwaltung. Dazu wirkt sie in einer Kooperation mit einer V/ielzahl weiterer Bundesländer im Zuge des „Projekts Polizei 20" mit. Diese Umstellung stellt einen Zwischenschritt zu der mittelfristigen Etablierung einer bundesweiten Softwarelösung für die elektronische Asservatenverwaltung dar. Gleichzeitig wird die Kommunikationsstruktur zum Informationsaustausch mit der Justiz im Zuge der Entwicklung der E-Akte weiter vorangetrieben.
Zu Buchstabe b):
Die sach- und ordnungsgemäße Verwahrung von Asservaten ist konsentiertes Interesse der Polizei Rheinland-Pfalz. Eine Grundvoraussetzung zur qualitätssicheren und effizienten Asservatenverwaltung stellt die Bereitstellung adäquater Asservatenräume dar. Bedarfsorientierte Verbesserungen wurden und werden kontinuierlich bei den 111 polizeilichen Asservatenstellen hinsichtlich der baulichen und technischen Sicherung, der Ausstattung und der Verwahrmöglichkeiten entsprechend der bestehenden Vorschriftenlage geprüft und durchgeführt.
Zu Buchstabe d):
Zwischen der Justiz und der Polizei besteht weiterhin ein kontinuierlicher Austausch zur Erkennung und Reduzierung von Altfällen in der Asservatenverwaltung. Diese umfassen Fälle, in welchen die Verwahrung der Asservate nicht oder nicht rechtzeitig beendet werden konnte. Die Ursachen hierfür sind multikausal. Etwaige fehleranfällige Strukturen wurden in der gemeinsamen Befassung detektiert, hierzu werden gemeinsam Lösungsvorschläge
erarbeitet. Das Beispiel des Polizeipräsidiums Einsatz, Logistik und Technik veranschaulicht die Anstrengung zur Reduzierung der Altfälle. Im aktuellen Berichtszeitraum hat das Präsidium von über 3.000 Asservatenpositionen bereits mehr als 2.300 Altfälle abgearbeitet. Die Bemühungen werden weiter intensiviert und sollen im Jahr 2024 die vollständige Erledigung von Altfällen nach sich ziehen. Hierzu nimmt die Aktualisierung der Regelungslage hinsichtlich der Verfahrensweisen der polizeilichen Asservatenverwaltung eine Schlüsselfunktion ein.
Zu Buchstabe e)
Die Aktualisierung der Regelungslage im Zusammenhang mit der Asservatenverwaltung erfährt seitens der Polizei eine hohe Priorisierung. Künftig sollen polizeiintern Abläufe und Verfahrensweisen hin zu einem sachgerechteren, effizienteren und verfahrensökonomischeren Asservatenmanagement in einer „Umsetzungsrichtlinie Asservate“ beschrieben und landeseinheitlich für die Polizeibehörden geregelt werden.
Die Richtlinie befindet sich zurzeit im internen Abstimmungsverfahren im Ministerium des Innern und für Sport (Mdl). Im Nachgang soll eine Beteiligung der Polizeibehörden erfolgen, um ein möglichst zeitnahes Inkrafttreten zu erreichen. Gemeinsam mit dem Ministerium der Justiz (JM) werden im Nachgang mögliche Anpassungsbedarfe am bestehenden ressortübergreifenden Gemeinsamen Rundschreiben von JM und Mdl zur Asservatenverwaltung geprüft.
Die Landesregierung hat dem Landtag wie folgt berichtet (Drucksache 18/9553 S. 31):
"Zu Buchstabe a):
Die ursprünglich avisierte Beschaffung eines einheitlichen Asservatenmanagementsystems (eAMS) im „Programm Polizei 20|20 (P20)“ konnte nicht umgesetzt werden und wird in dieser Form nicht weiterverfolgt. Stattdessen ist beabsichtigt, über das zukünftige Datenhaus der Kooperation einzelne Services zur Ergänzung der Vorgangsbearbeitungssysteme zur Verfügung zu stellen.
Gleichzeitig wird die Kommunikationsstruktur zum Informationsaustausch mit der Justiz im Zuge der Entwicklung der e-Akte weiter vorangetrieben."
Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vorschlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag empfohlen, die Angelegenheit im Rahmen des Entlastungsverfahrens für erledigt zu erklären (Drucksache 18/10344 S. 21).
Der Landtag hat diesen Beschluss im September 2024 gefasst.