Jahresbericht 2023, Nr. 18 - Förderprogramm aus dem Corona-Sondervermögen zur Digitalisierung an den Hochschulen

- Bedarfe nicht angemessen erhoben, Veranlassungszusammenhang mit der Corona-Pandemie häufig nicht hinreichend nachvollziehbar -

Wesentliches Ergebnis der Prüfung

Von den bis Ende Januar 2022 bewilligten Mitteln von 43 Mio. € entfielen 88 % auf die vier Universitäten und 11 % auf die sieben Hochschulen für angewandte Wis­senschaften des Landes. Dass mehr als die Hälfte aller bewilligten Mittel auf die von der Hochschulstrukturreform betroffenen Universitäten entfielen, war nicht nachvoll­ziehbar.

Auch unter Berücksichtigung der Notsituation war insbesondere der konkrete Hand­lungsbedarf für Fördermaßnahmen in den einzelnen Hochschulen nicht angemes­sen erhoben worden. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen fehlten.

Die Zielsetzungen des Förderprogramms waren nicht ausreichend klar formuliert. Kriterien und Indikatoren für Erfolgskontrollen fehlten.

Das Förderverfahren war verbesserungsbedürftig. Das Antragsformular sah keine Angaben zu Folgekosten und nur unzureichende Angaben zum Pandemiebezug vor. Der Bedarf an Personal- und Sachmitteln war häufig ungenügend begründet. Damit war die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Projekte nicht sichergestellt.

40 % der Fördersumme entfielen auf Maßnahmen, bei denen der von der verfas­sungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte hinreichende Veranlassungszusam­menhang mit der Pandemie bzw. ein Beitrag zur Bewältigung ihrer Folgen nicht er­kennbar waren.

Die befristete Finanzierung von laufenden bzw. dauerhaften Staatsaufgaben außer­halb des regulären Haushalts schränkt dessen Transparenz ein und birgt wirtschaft­liche Risiken.

Forderungen des Rechnungshofs · Stellungnahmen der Landesregierung · Parlamentarische Behandlung

(Teilziffer 3 des Jahresberichtsbeitrags)

3.1 Zu den nachstehenden Forderungen wurden die gebotenen Folgerungen bereits gezogen oder eingeleitet:

Der Rechnungshof hatte gefordert,

a) die Wirtschaftlichkeit von finanzwirksamen Maßnahmen durch angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu belegen,

b) bei Förderprogrammen hinreichend konkrete Förderziele, Kriterien sowie geeignete Indikatoren zur Durchführung von Erfolgskontrollen festzulegen,

c) die förderfähigen Ausgaben näher zu bestimmen und die Frage von Rückforderungen zu regeln,

d) darauf hinzuwirken, dass in den Anträgen die Fördervoraussetzungen ausreichend dargelegt werden,  

e) sicherzustellen, dass die Bedarfe für Personal- und Sachmittel in den Anträgen angemessen erläutert sowie die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Maßnahmen unter Berücksichtigung der Folgekosten nachgewiesen werden,

f) den zusätzlichen Aufwand für Arbeits-, Verwaltungs- und Berichtsbedarfe im Zusammenhang mit der Abwicklung des Programms aus dem regulären Haushalt zu finanzieren,

g) die Berichterstattung über die verausgabten Mittel auf die einzelnen Hochschulen zu erweitern,

h) auf eine stärkere Kooperation der Hochschulen und landeseinheitliche (IT-)Verfahren hinzuwirken. 

3.2 Folgende Forderungen sind nicht erledigt:

Der Rechnungshof hat gefordert, über die Ergebnisse der eingeleiteten Maßnahmen zu Nr. 3.1 Buchstaben g und h zu berichten.

3.3 Der Rechnungshof hat empfohlen, für laufende bzw. dauerhafte Staatsaufgaben, wie etwa komplexe Digitalisierungsvorhaben sowie Maßnahmen aufgrund langfristiger Strategien, Finanzmittel bedarfsorientiert über die regulären Haushalte bereitzustellen.

Die Landesregierung hat für das Entlastungsverfahren zu dem Beitrag folgende Stellungnahme abgegeben (Drucksache 18/6307 S. 26):

"Zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 g):
Die Berichterstattung zum Mittelabfluss betreffend die Maßnahme nach § 2 Abs. 2 Ziffer 9 Corona-Sondervermögensgesetz – CSVG – (Stärkung der Digitalisierung an den Hochschulen) um Angaben zur Verwendung der Mittel und deren Verteilung auf die einzelnen Hochschulen zu erweitern, wird nicht aufgegriffen.

Nach § 6 Absatz 4 CSVG berichtet das für die Finanzangelegenheiten zuständige Ministerium dem Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags seit dem Jahr 2021 zeitnah über die Mittelabflüsse aus dem Sondervermögen zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres.

Nach der Begründung zum Gesetzentwurf stellt diese Unterrichtungspflicht eine zeitnahe Information des Parlaments über den Mittelabfluss des Sondervermögens sicher. Dadurch sowie durch die Einstellung aller Einnahmen und Ausgaben des Sondervermögens in einen jährlichen Wirtschaftsplan wird die notwendige Transparenz geschaffen und dem Budgetrecht des Landtags Rechnung getragen. Weitergehende Anforderungen an die Berichterstattung sind der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen.

Dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechend bezieht sich die Berichtspflicht auf die in § 2 Abs. 2 Ziffern 1 bis 10 CSVG beschriebenen Maßnahmen. Form und Umfang der Berichterstattung orientieren sich grundsätzlich an dieser Struktur sowie dem dieser Struktur folgenden Wirtschaftsplan nach § 6 Abs. 1 CSVG. Bestandteil der bisherigen Berichte sind folglich nach Titelgruppen und Titeln des Wirtschaftsplans gegliederte Listen mit Angaben zu den Ist-Ausgaben, zur Anzahl der gestellten sowie der bewilligten bzw. abgelehnten Förderanträge und deren Volumina. Ergänzt werden diese Listen um einen schriftlichen Bericht mit weitergehenden Hinweisen und Erläuterungen zu ausgewählten Maßnahmen. Die mit dieser Form der Berichterstattung zur Verfügung gestellten Informationen sind so im regulären Haushalt nicht vorgesehen. Weitergehendere Angaben zur Verwendung der Mittel und insbesondere einer Differenzierung nach Destinatären der Mittelabflüsse bei den verschiedenen Maßnahmen bedarf es aus Sicht der Landesregierung nicht, da die bestehende Form der Berichterstattung dem parlamentarischen Kontrollrecht – wie aufgezeigt – bereits in ausreichendem Maße Rechnung trägt und vom Haushalts- und Finanzausschuss auch in keiner Weise beanstandet wurde.

Auch der Verfassungsgerichtshof (VGH) hat mit Urteil vom 1. April 2022 (Az.: VGH N 7/21) das CSVG weitestgehend als verfassungskonform eingestuft. In der vom Rechnungshof zitierten Tz. 160 des Urteils wird lediglich der Prüfungsmaßstab an das Sondervermögen festgestellt, wonach dieses durch „angemessene legitimations-, öffentlichkeits- und koordinationsrestituierende Verfahrensweisen“ an den Landeshaushalt rückgebunden werden muss. In Tz. 161 stellt der VGH dann subsumierend fest, dass das Corona-Sondervermögen das Budgetrecht des Landtags zwar berührt, aber die konkrete Ausgestaltung des CSVG gerade nicht zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Verkürzung des parlamentarischen Budgetrechts führt und eine hinreichend konkrete Steuerungswirkung für die Mittelverwendung durch die Exekutive entfaltet. Daneben ist der parlamentarische Gesetzgeber nicht daran gehindert, die Entwicklung der Mittelverwendung im Rahmen der Unterrichtung zu beobachten und gegebenenfalls durch Anpassung des CSVG zu reagieren (Tz. 166).

Zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 h):
Das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit (MWG) wird die Hochschulen nochmals darauf hinweisen, dass in die nach Landeshaushaltsordnung erforderlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungen auch die Möglichkeit stärkerer Kooperation der Hochschulen und der Nutzung landeseinheitlicher (IT-)Verfahren einzubeziehen ist. Das MWG hat seine Förderungen von IT-Verfahren an Hochschulen dort, wo es sinnvoll ist, auf hochschulübergreifende bzw. einheitliche Verfahren fokussiert und wird dies auch in Zukunft tun.

Zu Ziffer 3.3:
Die im Einzelplan 15 des Landeshaushalts veranschlagten Mittel zur weiteren Digitalisierung der Hochschulen wurden mit dem Doppelhaushalt 2023/2024 von 770.000 Euro in 2022 auf über 2.469.100 Euro angehoben. Das MWG hat für verschiedene Handlungsbereiche der Hochschulen (Bibliotheken, Verwaltungen, Rechenzentren u. a.) Klärungsprozesse angestoßen, um die weiteren Digitalisierungsbedarfe zu ermitteln und zu priorisieren. Diese Prozesse sind Grundlage für die weiteren Umsetzungsschritte im Rahmen der Digitalstrategie des Landes und werden bei Bedarf auch in die zukünftigen Haushaltsaufstellungsverfahren eingebracht."

Der Rechnungshof nimmt bei Bedarf zum Bericht der Landesregierung Stellung.

Zu Ziffer 3.1 g:

Zur Stellungnahme der Landesregierung zur Forderung, die Berichterstattung über die verausgabten Mittel auf die einzelnen Hochschulen zu erweitern, bemerkt der Rechnungshof:

Dem Gesetzgeber sind diese Rechte zwar unbenommen. Unabhängig davon erscheint allerdings eine weitergehende Unterrichtung vor folgendem Hintergrund angezeigt:

Der Gesetzgeber hat den Hochschulen in § 102 Hochschulgesetz besondere Rechte eingeräumt, z. B. das Recht zur schriftlichen Stellungnahme zum Entwurf der Landesregierung für den Landeshaushalt, die dem Landtag zugeleitet wird. Im Haushaltsplan des Landes werden die Mittel für die einzelnen Hochschulen jeweils in eigenen Kapiteln veranschlagt. Damit kann deren Finanzierung nachvollzogen werden. Insofern bestehen beim Sondervermögen im Vergleich zu den Angaben im Haushaltsplan Informationsdefizite. Im Übrigen waren auch beim Sondervermögen „Wissen schafft Zukunft“ die Mittelabflüsse an die einzelnen Hochschulen ausgewiesen worden. Eine Erweiterung der Darstellung auf die einzelnen Hochschulen würde deren Stellung angemessen Rechnung tragen und die Qualität der parlamentarischen Berichterstattung verbessern.

Zu Ziffer 3.1 h:

Zur Stellungnahme der Landesregierung zur Forderung, auf eine stärkere Kooperation der Hochschulen und landeseinheitliche (IT-)Verfahren hinzuwirken, bemerkt der Rechnungshof, dass nicht nachvollziehbar war, ob mögliche Kooperationen der Universitäten bei der Einführung der IT-Verfahren und in der Lehrerbildung geprüft worden waren.

Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vor­schlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag folgenden Beschluss empfohlen (Drucksache 18/7526 S. 14 ):

"Es wird zustimmend zur Kenntnis genommen, dass die Landesregierung zugesagt hat,

a) die Wirtschaftlichkeit von finanzwirksamen Maßnahmen durch angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu belegen,

b) bei Förderprogrammen hinreichend konkrete Förderziele, Kriterien sowie geeignete Indikatoren zur Durchführung von Erfolgskontrollen festzulegen,

c) die förderfähigen Ausgaben näher zu bestimmen und die Frage von Rückforderungen zu regeln,

d) darauf hinzuwirken, dass in den Anträgen die Fördervoraussetzungen ausreichend dargelegt werden,

e) sicherzustellen, dass die Bedarfe für Personal- und Sachmittel in den Anträgen angemessen erläutert sowie die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Maßnahmen unter Berücksichtigung der Folgekosten nachgewiesen werden,

f) den zusätzlichen Aufwand für Arbeits-, Verwaltungs- und Berichtsbedarfe im Zusammenhang mit der Abwicklung des Programms aus dem regulären Haushalt zu finanzieren,

g) die weiteren Digitalisierungsbedarfe der Hochschulen zu ermitteln und diese bei Bedarf auch in die zukünftigen Haushaltsaufstellungsverfahren einzubringen,

h) auf eine stärkere Kooperation der Hochschulen und landeseinheitliche (IT-)Verfahren hinzuwirken.

Die Landesregierung wird aufgefordert, die Berichterstattung im Ausschuss für Wissenschaft über die verausgabten Mittel auf die einzelnen Hochschulen zu erweitern."

Der Landtag hat diesen Beschluss im September 2023 gefasst.

Die Landesregierung hat dem Landtag wie folgt berichtet (Drucksache 18/8603 S. 21):

"Die vom Landtag geforderte Ausweitung der Berichterstattung über die verausgabten Mittel. auf die einzelnen Hochschulen wurde vom Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit mit der Unterrichtung gem. § 66 GOLT vom 9. August 2023 (Vorlage 18/4423) vorgelegt."

Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vor­schlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag empfohlen, die Angelegenheit im Rahmen des Entlastungsverfahrens für erledigt zu erklären (Drucksache 18/10344 S. 21).

Der Landtag hat diesen Beschluss im September 2024 gefasst.