Jahresbericht 2021, Nr. 9 - Beurlaubungen von Beamten ohne Dienstbezüge sowie die Erhebung von Versorgungszuschlägen
- rechtswidrige Beurlaubungen und unzulässige Anerkennungen der Urlaubszeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeiten -
Wesentliches Ergebnis der Prüfung
Oberste Dienstbehörden des Landes bewilligten häufig Beamten besonders langen Sonderurlaub. In 30 Fällen betrug dieser sechs Jahre und mehr, davon in 21 Fällen über zehn Jahre. Teilweise wurde der Urlaub bis zum Ruhestand gewährt. Nach der Rechtsprechung stehen jedenfalls Urlauben von sechs Jahren und länger bereits wegen der Dauer eindeutig dienstliche Gründe entgegen. Die Urlaube hätten nicht gewährt werden dürfen.
Die Sonderurlaube wurden häufig im Anschluss an die erste Beurlaubung verlängert. Dies geschah oftmals mehrfach, im Einzelfall bis zu 16-mal. Begründungen hierfür fehlten in nahezu allen Fällen. Damit war nicht erkennbar, ob Gründe vorlagen, die so gewichtig waren, dass sie eine weitere Beurlaubung rechtfertigten.
Die Bewilligungsstellen berücksichtigten die Zeit der Beurlaubung ohne Dienstbezüge als ruhegehaltfähige Dienstzeit, obwohl teilweise private Interessen an der Beurlaubung überwogen. Hierdurch entstanden nicht gerechtfertigte Versorgungsansprüche gegen das Land.
Während ihrer Sonderurlaube wurden 15 Beamte befördert, manche sogar mehrmals, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen. Der wesentliche Zweck der Beförderung, nämlich die funktionsgerechte Wahrnehmung des neuen Amts, wurde häufig erst nach vielen Jahren oder bei Beurlaubung bis zum Ruhestand überhaupt nicht erreicht.
Die Dokumentation der Ermessensentscheidungen über die Bewilligung von Sonderurlaub und die Anerkennung der Ruhegehaltfähigkeit der Urlaubszeiten genügte überwiegend nicht den rechtlichen Anforderungen.
Der Versorgungszuschlag zum Ausgleich der Versorgungslast des Landes für die Zeit der Beurlaubung wurde seit fast 40 Jahren nicht mehr angepasst.
Forderungen des Rechnungshofs · Stellungnahmen der Landesregierung · Parlamentarische Behandlung
(Teilziffer 3 des Jahresberichtsbeitrags)
3.1 Zu den nachstehenden Forderungen wurden die gebotenen Folgerungen bereits gezogen oder eingeleitet:
Der Rechnungshof hatte gefordert,
a) bei rechtswidrig bewilligten und verlängerten Sonderurlauben die Möglichkeiten zur Beendigung der Beurlaubung zu prüfen sowie in diesen Fällen keine erneuten Sonderurlaube und weiteren Verlängerungen zu gewähren,
b) eine ordnungsgemäße Personalaktenführung und Dokumentation der Ermessenserwägungen zur Vorbereitung der Entscheidung über die Bewilligung und Verlängerung von Sonderurlaub sicherzustellen.
3.2 Folgende Forderungen sind nicht erledigt:
Der Rechnungshof hat gefordert,
a) bei der Bewilligung und Verlängerung von Sonderurlaub die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, insbesondere zur Dauer des Sonderurlaubs zu beachten,
b) die Beurlaubung ohne Dienstbezüge als ruhegehaltfähige Dienstzeit nur anzuerkennen, wenn diese öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient, und der Prüfung der Erfüllung der Voraussetzungen strenge Maßstäbe zugrunde zu legen,
c) unter Beachtung des Leistungsgrundsatzes Beförderungen grundsätzlich nur dann vorzunehmen, wenn u. a. sichergestellt ist, dass das Beförderungsamt zeitnah wahrgenommen werden kann,
d) auf eine Überprüfung der Angemessenheit und eine Anpassung des Versorgungszuschlags hinzuwirken,
e) über die Maßnahmen zu Nr. 3.1 zu berichten.
Die Landesregierung hat für das Entlastungsverfahren zu dem Beitrag folgende Stellungnahme abgegeben (Drucksache 17/15003 S. 18):
"Zu Ziffer 3.2 a):
Nach § 32 der Urlaubsverordnung Rheinland-Pfalz (UrlVO) kann Urlaub unter Wegfall der Dienstbezüge gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Diese Beurteilung ist unter anderem von der konkreten dienstlichen Tätigkeit der Beamtin oder des Beamten und der während der Beurlaubung wahrgenommenen Tätigkeit abhängig. Insoweit ist im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu entscheiden, ob für eine gewisse Zeitspanne eine Beurlaubung ausgesprochen werden kann, ohne die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes zu gefährden (vgl. zu § 3 SUrlV Bund, Baßlsperger Rn. 9). Mit zunehmender Dauer der Beurlaubung steigt grundsätzlich das öffentliche Interesse an der vollen Dienstleistung. Umso höhere Anforderungen sind dann an die Gewichtigkeit und Schutzwürdigkeit des Beurlaubungsgrundes zu stellen. Allerdings verbietet sich eine pauschale, schematische Anwendung einer Beurlaubungshöchstgrenze von sechs ahren, ab der grundsätzlich dienstliche Gründe einer Beurlaubung entgegenstehen würden, zumal der zitierte Beschluss vom 8. Juni 1978 – 1 WB 86/78 des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) bereits im Jahre 1978 erging und einen konkreten Einzelfall mit besonderen Charakteristika (begehrte Beurlaubung eines Berufssoldaten zur Wahrnehmung einer Tätigkeit als Bürgermeister) betraf. Die dortigen Ausführungen lassen sich nicht ohne Weiteres pauschal auf andere Sachverhalte übertragen oder gar verallgemeinern. Insbesondere ist die in dem Beschluss gezogene Höchstgrenze von sechs Jahren der konkret begehrten streitgegenständlichen Beurlaubungsdauer geschuldet. Eine Verallgemeinerung auf alle denkbaren Sachverhaltskonstellationen lässt sich hieraus nicht ableiten und wäre auch nicht sachgerecht. Dies gilt umso mehr als der Prüfungsmaßstab des BVerwG demjenigen des Prüfberichts des Rechnungshofes diametral entgegengesetzt war. In dem vom VerwG entschiedenen Fall ging es angesichts eines begehrten (und nicht gewährten) Urlaubs um die Frage, ob ein Anspruch des Beamten auf Gewährung einer Beurlaubung mit einer Dauer von sechs Jahren besteht, in der Prüfung des Rechnungshofes hingegen, ob eine Beurlaubung dieser Dauer zulässig ist. Obwohl nach Ansicht des BVerwG kein Rechtsanspruch auf die Bewilligung einer Beurlaubung über eine gewisse Dauer hinaus besteht, ist eine solche nicht per se ab einer solchen ausgeschlossen, sondern kann nach Abwägung aller Umstände ausgesprochen werden.
Bei der Genehmigung oder auch Verlängerung von Beurlaubungen nach § 32 Urlaubsverordnung Rheinland-Pfalz (UrlVO) ist aus hiesiger Sicht des Weiteren zu berücksichtigen, dass die UrlVO selbst keine Obergrenze für die Urlaubsdauer vorsieht. Gegen eine Begrenzung auf eine maximal sechsjährige Beurlaubungsdauer spricht darüber hinaus bereits die eine vergleichbare Konstellation betreffende und daher als Orientierungsrahmen heranzuziehende Richtlinie für die Entsendung von Beschäftigten des Bundes zu einer öffentlichen zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung, zur Verwaltung oder zu einer öffentlichen Einrichtung eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder zur Übernahme von Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit (Entsendungsrichtlinie Bund – EntsR) vom 9. Dezember 2015. Nach § 2 Abs. 4 S. 4 EntsR soll die Entsendung/Beurlaubung insgesamt zehn Jahre nicht überschreiten, sofern nicht besondere dienstliche Gründe oder besondere schutzwürdige Interessen der oder des Beschäftigten eine weitere Verlängerung rechtfertigen. Besondere dienstliche Gründe sollen gemäß § 2 Abs. 4 S. 5 EntsR insbesondere dann vorliegen, wenn ein dienstliches Interesse an der weiteren externen Verwendung der oder des Beschäftigten besteht. Ein solches dienstliches Interesse ist auch in anderen Fällen der Beurlaubung denkbar. Den Festlegungen in der EntsR liegen zudem durchaus vergleichbare personalwirtschaftliche Aspekte zugrunde, wie insbesondere zusätzlicher Kenntnis- und Erfahrungserwerb für die von der Beamtin oder dem Beamten im Anschluss auszuübende Tätigkeit.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Einzelfallprüfung zwingend geboten ist und sich eine Beurlaubung nicht allein aufgrund einer bestimmten Dauer als rechtswidrig darstellt.
Insoweit sei auch der Hinweis auf ein früheres Prüfverfahren des Rechnungshofes erlaubt, in dem ein zum Zeitpunkt der Prüfung im Jahr 2005 zwölf Jahre währender Sonderurlaub eines Beamten zu keinen Beanstandungen geführt hat.
Zu Ziffer 3.2 b):
Gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Landesbeamtenversorgungsgesetz (LBeamtVG) kann die Zeit einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge als ruhegehaltfähige Zeit berücksichtigt werden, wenn spätestens bei Beendigung des Urlaubs schriftlich zugestanden worden ist, dass dieser öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen diente.
Der Urlaub liegt im dienstlichen Interesse, wenn ein auf die Aufgaben des Dienstherrn und die in diesem Rahmen von der Beamtin/dem Beamten wahrgenommenen Obliegenheiten bezogenes Interesse vorliegt (vgl. BVerwG, 9. Februar 1972 –VI C 20.69, Rn. 25). Dabei stehen insbesondere auch Personalentwicklungsaspekte, wie zusätzlicher Kenntniserwerb und Weiterbildung der Beamtin/des Beamten, für den Dienstherrn im Vordergrund. Die Frage, ob eine Beurlaubung dienstlichen Interessen dient, ist daher anhand des konkreten Aufgabenbereichs der beurlaubten Person zu beurteilen. Dies setzt zwingend eine einzelfallbezogene Prüfung voraus.
Der Begriff der „öffentlichen Belange“ ist weiter gefasst als derjenige der „dienstlichen Interessen“. Er umfasst auch die Interessen anderer Einrichtungen an der Beurlaubung, wenn diese Interessen maßgeblich am Gemeinwohl orientiert sind oder zugleich auch mit dienstlichen Interessen in dem oben erläuterten Sinne korrespondieren (vgl. BVerwG, 9. Februar 1972 –VI C 20.69, Rn. 25).
Der Auffassung des Rechnungshofes wird insoweit gefolgt, als private Interessen an einer Beurlaubung nicht im Vordergrund stehen und überwiegen dürfen. Die monetären Interessen an einer Beurlaubung können sicherlich ein Indiz für das Vorliegen privater Interessen darstellen. Dies kann aber keinesfalls schematisch auf jeden Einzelfall übertragen werden. Es kann insoweit nicht ausgeschlossen werden, dass selbst bei Vergütungen, die die regulären Dienstbezüge übersteigen, die Beurlaubung dienstlichen Interessen oder öffentlichen Belangen dient.
Zu Ziffer 3.2 c):
Während einer Beurlaubung erfolgende Beförderungen begegnen keinen grundsätzlichen Bedenken. Den Beamtinnen und Beamten steht vielmehr auch während der Beurlaubung aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) ein Bewerbungsverfahrensanspruch auf Einbeziehung in die (Bewerber-)Auswahl und eine fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens bei Vergabe von Beförderungsstellen nach den Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zu. Die Nichteinbeziehung in das Beförderungsverfahren kann diesen Anspruch verletzen.
Sinn und Zweck der Beförderung ist zudem nicht nur die Belohnung der von der Beamtin oder dem Beamten in der Vergangenheit erbachten Leistungen, sondern auch die Schaffung einer Anreizfunktion für die erfolgreiche Wahrnehmung des neuen angestrebten Dienstpostens. Diese Anreizfunktion ist bei einer befristeten Beurlaubung auch dann gegeben, wenn sie erst zeitversetzt zu einem späteren Zeitpunkt zum Tragen kommt. Hierbei ist darauf abzustellen, ob die Person nach Beendigung der Beurlaubung noch für eine angemessene Dienstzeit das Amt ausüben kann. Insoweit besteht rechtlich kein ausdrückliches Verbot, z. B. in der Urlaubsverordnung, eine Beförderung während einer Beurlaubungsphase vorzunehmen.
Des Weiteren ist während der Beurlaubung häufig nicht absehbar, ob diese verlängert wird und es etwa weiterhin im Interesse des Dienstherrn ist, diese aufrechtzuerhalten. Wäre eine Beförderung für die Zeit der Beurlaubung ausgeschlossen, könnten den beurlaubten Personen in solchen Fällen im Vergleich zu den nicht beurlaubten Nachteile entstehen.
Insoweit sei auch erneut der Hinweis auf das oben bei den Ausführungen zu Ziffer 3.2. a) erwähnte frühere Prüfverfahren des Rechnungshofes erlaubt, bei dem eine während der Beurlaubung erfolgte Beförderung eines Beamten zu keinen Feststellungen geführt hat.
Zu Ziffer 3.2 d):
Bei dem in § 13 Abs. 2 LBeamtVG geregelten Versorgungszuschlagssatz in Höhe von 30 % handelt es sich um eine pauschalierende und langjährig verwendete Berechnungsgröße, die als regelmäßig zu Grunde gelegter Richtwert auch vom Bund und anderen Ländern angewandt wird. Sie findet daher auch im Rahmen von bundes- bzw. länderübergreifenden Personalgestellungen einheitlich Anwendung und stellt somit keine singulär auf das Land Rheinland-Pfalz bezogene Berechnungsgröße dar. Die Landesregierung wird die Prüfungsfeststellungen gleichwohl zum Anlass nehmen, die Angemessenheit des Versorgungszuschlagssatzes zu überprüfen.
Zu Ziffer 3.2 e) i. V. m. Ziffer 3.1 a):
Die im Prüfbericht beanstandeten Fälle wurden überprüft und, soweit geboten, die erforderlichen Schritte eingeleitet. Im Übrigen wird auf die Erläuterungen in Ziffer 3.2 a) verwiesen.
Zu Ziffer 3.2 e) i. V. m. Ziffer 3.1 b):
Dem in § 32 Abs. 1 S. 3, 1. Halbsatz UrlVO niedergelegten besonderen Begründungserfordernis bei einer beabsichtigten Beurlaubung von über drei Monaten (besonders begründeter Einzelfall, keine entgegenstehenden dienstlichen Gründe) sowie bei einer Anerkennung der Ruhegehaltsfähigkeit der Urlaubszeiten wurde nach den Feststellungen des Rechnungshofes nicht vollumfänglich nachgekommen. Dies wird künftig beachtet werden."
Der Rechnungshof nimmt bei Bedarf zum Bericht der Landesregierung Stellung.
Zu Ziffer 3.2 a:
Zur Stellungnahme der Landesregierung zur Forderung, bei der Bewilligung und Verlängerung von Sonderurlaub die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, insbesondere zur Dauer des Sonderurlaubs zu beachten, merkt der Rechnungshof das Folgende an:
Sonderurlaub von mehr als drei Monaten darf schon nach den gesetzlichen Vorgaben nur unter sehr engen Voraussetzungen und unter Anlegung strenger Maßstäbe gewährt werden. Aus den Grundsätzen des Berufsbeamtentums folgt, dass bei längerer Dauer des Sonderurlaubs zunehmend strengere Maßstäbe anzulegen sind.
Der zitierte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts betrifft wie fast alle Urteile einen Einzelfall, jedoch gelten die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für eine gesetzeskonforme Anwendung allgemein und sind bei Auslegung der Urlaubsverordnung grundsätzlich zu beachten. Sie haben deshalb über den Einzelfall hinaus Bedeutung. Daran ändert auch das Alter des Beschlusses nichts. Das Bundesverwaltungsgericht stellt in dem zitierten Beschluss über den entschiedenen Einzelfall hinaus grundsätzlich infrage, ob eine Beurlaubung von sechs Jahren überhaupt noch unter den Begriff Urlaub im Sinne der Urlaubsverordnung subsumiert werden kann. Im Übrigen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung wiederholt Beurlaubungen bereits ab einer Dauer zwischen elf Wochen und sechs Monaten als „besonders lange Sonderurlaube“ gewertet und das Vorliegen eines wichtigen Grundes und damit die Zulässigkeit dieser Beurlaubungen verneint. Diese Grundsätze sollte die Landesregierung bei ihren Entscheidungen beachten.
Die Entsendungsrichtlinie des Bundes ist hier nicht einschlägig. Entsendungen liegen in den geprüften Fällen nicht vor. Außerdem wären Entsendungen nach dieser Richtlinie nur für die vorübergehende Wahrnehmung der dort genannten Aufgaben und bei den in der Entsendungsrichtlinie aufgezählten Einrichtungen, wie beispielsweise der OECD oder der NATO, zulässig.
In den geprüften Fällen wurden Beamte aber nicht an solche Einrichtungen beurlaubt. Eine analoge Anwendung der Vorschriften für Entsendungen auf andere Fälle ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zulässig.
Schließlich verstoßen langjährige Beurlaubungen gegen die verfassungsrechtliche Dienstleistungspflicht der Beamten.
Zu Ziffer 3.2 b:
Zur Stellungnahme der Landesregierung zur Forderung, die Beurlaubung ohne Dienstbezüge als ruhegehaltfähige Dienstzeit nur anzuerkennen, wenn diese öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient, und der Prüfung der Erfüllung der Voraussetzungen strenge Maßstäbe zugrunde zu legen, bemerkt der Rechnungshof, dass eine Einzelfallprüfung immer erforderlich ist. Einigkeit besteht hinsichtlich der Indizwirkung einer deutlich höheren Bezahlung.
Zu Ziffer 3.2 c:
Zur Stellungnahme der Landesregierung zur Forderung, unter Beachtung des Leistungsgrundsatzes Beförderungen grundsätzlich nur dann vorzunehmen, wenn u. a. sichergestellt ist, dass das Beförderungsamt zeitnah wahrgenommen werden kann, weist der Rechnungshof darauf hin, dass in den betroffenen Fällen das Beförderungsamt zum Teil überhaupt nicht wahrgenommen wurde. Dies trifft insbesondere auf die Mehrfachbeförderungen zu. In vielen Fällen wurde das Beförderungsamt in absehbarer Zeit nicht ausgeübt. Nach der Rechtsprechung ist in solchen Fällen eine Beförderung nicht vorrangig auf eine erfolgreiche Wahrnehmung des Beförderungsamtes angelegt. Auch fehlt in diesen Fällen eine Anreizfunktion.
Im Übrigen setzt auch nach der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 20. Februar 2019 die Beförderung der Beamtinnen und Beamten in der Steuerverwaltung grundsätzlich eine aktive Dienstverrichtung zum Zeitpunkt des Beförderungsstichtags voraus.
Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vorschlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag folgenden Beschluss empfohlen (Drucksache 18/1075 S. 8).
"Es wird zustimmend zur Kenntnis genommen, dass
a) die beanstandeten Fälle überprüft und soweit geboten die erforderlichen Schritte eingeleitet wurden,
b) das in der Urlaubsverordnung niedergelegte besondere Begründungserfordernis für eine Beurlaubung von über drei Monaten sowie für die Anerkennung der Ruhegehaltfähigkeit der Urlaubszeiten künftig beachtet wird,
c) Beurlaubungen ohne Dienstbezüge als ruhegehaltfähige Dienstzeit nur anerkannt werden, wenn sie öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dienen und dabei insbesondere berücksichtigt wird, dass hohe Vergütungen ein Indiz für überwiegende private Interessen darstellen.
Die Landesregierung wird aufgefordert,
a) sicherzustellen, dass bei der Bewilligung und Verlängerung von Sonderurlaub die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, insbesondere zur Dauer des Sonderurlaubs beachtet werden,
b) sicherzustellen, dass Beförderungen grundsätzlich nur dann vorgenommen werden, wenn u. a. das Beförderungsamt zeitnah wahrgenommen werden kann,
c) über das Ergebnis der Überprüfung der Angemessenheit des Versorgungszuschlagssatzes zu berichten."
Der Landtag hat diesen Beschluss im September 2021 gefasst.
Die Landesregierung hat dem Landtag wie folgt berichtet (Drucksache 18/2128 S. 10):
"Zu Buchstabe a):
Das Verfahren im Zusammenhang mit der Bewilligung von Beurlaubungen wurde überprüft. Mit zunehmender Dauer der Beurlaubung steigt grundsätzlich auch das öffentliche Interesse an der vollen Dienstleistung der Beamtin bzw. des Beamten. Umso höhere Anforderungen sind demnach an die Gewichtigkeit und Schutzwürdigkeit des Beurlaubungsgrundes zu stellen. Insoweit bedarf es zwingend einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls. Die dazu entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung wurden und werden im Rahmen dieser Einzelfallprüfung selbstverständlich beachtet.
Zu Buchstabe b):
Nach den Prüfungsfeststellungen könne der wesentliche Zweck einer Beförderung, nämlich die funktionsgerechte Wahrnehmung des neuen Amtes, erst nach vielen Jahren oder bei Beurlaubungen bis zum Ruhestand überhaupt nicht erreicht werden. Auswahlentscheidungen im Rahmen des Beförderungsverfahrens werden streng nach den in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) normierten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung getroffen. Vor diesem Hintergrund werden die Hinweise, dass die für das Beförderungsamt erforderliche Eignung in der Regel nicht besitzt, wer das Amt nicht zeitnah ausüben wird, in der gebotenen Einzelfallprüfung berücksichtigt werden.
Zu Buchstabe c):
Der Versorgungszuschlagssatz in Höhe von 30 % findet als pauschalierende und langjährig verwendete Berechnungsgröße beim Bund und den Ländern sowohl bei Beurlaubungen von Beamtinnen und Beamten als auch im Rahmen von bundes- bzw. länderübergreifenden Personalgestellungen grundsätzlich – Baden-Württemberg erhebt lediglich für den Bereich der landesinternen Beurlaubungen und Beurlaubungen zu Dritten einen höheren Versorgungszuschlagssatz – einheitlich Anwendung. So wurde auch mit Mehrheitsbeschluss der Mitglieder des Arbeitskreises der Versorgungsreferentinnen und -referenten der Länder unter Teilnahme der Vertreter des Bundes (AK Vers) festgestellt, dass der „allgemein übliche, einheitliche und pauschale Versorgungszuschlagssatz von 30 % der Bemessungsgrundlage unverändert für sachgerecht“ gehalten wird (TOP 6 der Sitzung des AK Vers vom 6. bis 8. Oktober 2020 in Dresden, Beschluss wurde nur von Baden-Württemberg nicht mitgetragen). Bestätigt wurde die vorgenannte Verfahrensweise zuletzt im Rahmen einer Bund-Länder-Umfrage im Juli 2021. Die rheinland-pfälzische Landesregierung sieht daher keine Veranlassung, von der bisherigen Höhe des Versorgungszuschlagssatzes abzuweichen."
Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vorschlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag folgenden Beschluss empfohlen (Drucksache 18/4302 S. 15):
"Die Landesregierung wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, die Angemessenheit des Versorgungszuschlagssatzes zu überprüfen und über das Ergebnis zu berichten."
Der Landtag hat diesen Beschluss im November 2022 gefasst.
Die Landesregierung hat dem Landtag wie folgt berichtet (Drucksache 18/5310 S. 18)
"Auch nach der erneuten Überprüfung der Höhe des Versorgungszuschlagssatzes kommt die Landesregierung zu dem Ergebnis, dass dieser weiterhin als angemessen erachtet wird. Die Frage der Angemessenheit erschöpft sich nicht in der einseitigen, rein finanz-mathematischen Betrachtung der Kosten, die im Zusammenhang mit einer Beurlaubung für den beurlaubenden Dienstherrn entstehen können. Vielmehr ist die Frage der Angemessenheit zum einen im Verhältnis des Landes Rheinland-Pfalz – insbesondere – zu anderen Dienstherren (u. a. Bund und Länder), d. h. in einem ganzheitlichen Zusammenhang, zu sehen. Zum anderen ist zu sehen, dass – damit überhaupt die Anerkennung der Beurlaubungszeit als ruhegehaltfähig erfolgen kann und hierfür in der Folge ein Versorgungszuschlag zu zahlen ist – zunächst die Feststellung getroffen werden muss, dass die Beurlaubung dienstlichen Interessen oder öffentlichen Belangen dient. Dienstliche Interessen und öffentliche Belange lassen sich aber häufig ebenfalls nicht oder nur schwer finanziell quantifizieren.
Die meisten Beurlaubungen von Landesbeamtinnen und -beamten, bei denen ein Versorgungszuschlag zum Tragen kommt, erfolgen im Bereich des Auslandsschuldienstes (insb. Auslandsdienstlehrkräfte). Auch hier basiert die anteilige Erstattung des Versorgungszuschlags durch den Bund an die Länder für die beurlaubten Lehrkräfte auf der Grundlage eines Versorgungszuschlagssatzes von 30 %. Die Erstattung erfolgt in diesen Fällen dann auf der hälftigen Bemessungsgrundlage (d. h. im Ergebnis anteiliger Versorgungszuschlag von 15 %) wegen der als gesamtstaatlich angesehenen Aufgabe des Auslandsschuldienstes. Würde Rheinland-Pfalz aus diesem System einseitig ausscheren und einen höheren Versorgungszuschlagssatz festlegen, würde es gleichwohl nur eine Erstattung auf der bisherigen Grundlage, d. h. weiterhin nur 15 %, erhalten. Mitunter aus diesem Grund wird zurzeit weder bei den Ländern noch beim Bund eine Neufestlegung des Versorgungszuschlagssatzes erwogen.
Des Weiteren sind auch bei Beurlaubungen im Zusammenhang bzw. im Vorfeld von Dienstherrenwechseln bei den Ländern und beim Bund einheitlich geregelte Versorgungszuschlagssätze Voraussetzung für ein sachgerechtes Ergebnis für die damit einhergehende Versorgungslastenteilung nach dem Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag. Es wäre somit auch hier für Rheinland-Pfalz kein Vorteil damit verbunden, wenn es einseitig einen höheren Versorgungszuschlagssatz festlegen würde. Vielmehr stünde im Gegenteil zu befürchten, dass unter diesen Voraussetzungen (wegen des dann gegenüber dem Bund und den anderen Ländern erhöhten Versorgungszuschlagssatzes und der damit verbundenen finanziellen Nachteile für den betroffenen Dienstherrn) sowohl die – im dienstlichen Interesse oder aufgrund öffentlicher Belange vorgesehenen – Beurlaubungen als auch die daran anschließenden Dienstherrenwechsel künftig grundsätzlich erschwert, wenn nicht sogar gänzlich verhindert würden.
Schließlich wird auch im Fall der Beurlaubung zu einem Dritten, z. B. zu einem privaten Arbeitgeber, die Erhebung eines Versorgungszuschlags von 30 % (ebenfalls wie beim Bund und den anderen Ländern – mit Ausnahme Baden-Württembergs) für sachgerecht gehalten. Handelt es sich nämlich um eine private Institution, die Teil einer Landeseinrichtung bzw. mehrheitlich im Landesbesitz ist, was in den meisten solcher Fälle zutrifft, wäre mit einer Erhöhung des Zuschlagssatzes kein finanzieller Gewinn verbunden, da diese Einrichtungen zumeist Mittel aus dem Landeshaushalt erhalten, die sich anschließend entsprechend erhöhen würden, wenn diese Einrichtungen den erhöhten Zuschlagssatz zu tragen hätten.
Im Übrigen ist auch in Fällen, in denen der (private) Dritte, an den die Beurlaubung erfolgt, keinerlei Mittel aus dem Landeshaushalt erhält, die bisherige Höhe des Versorgungszuschlags weiterhin angemessen. Denn auch in diesen Fällen ist zu sehen, dass – damit überhaupt die Anerkennung der Beurlaubungszeit als ruhegehaltfähig erfolgen kann und hierfür in der Folge ein Versorgungszuschlag zu zahlen ist – zunächst die (dienstrechtliche) Feststellung getroffen werden muss, dass die Beurlaubung dienstlichen Interessen oder öffentlichen Belangen dient. Dienstliche Interessen und öffentliche Belange lassen sich aber häufig – wie bereits erwähnt – nicht oder nur schwer finanziell quantifizieren. So können die Erfahrungen, Einblicke und Erkenntnisse, die eine Beamtin oder ein Beamter bei einer längeren Beurlaubung zu einem Dritten erwirbt, von sehr großem Nutzen für den Dienstherrn bei der anschließenden Rückkehr in die öffentliche Verwaltung sein. Ein solcher Effizienzgewinn lässt sich schwerlich finanziell beziffern, weshalb nicht auf eine eingeschränkte, rein finanzmathematische Betrachtungsweise abgestellt werden kann. Das in einem solchen Fall festgestellte Interesse des Beurlaubenden oder der Öffentlichkeit begründet somit auch hier den (einheitlichen) Versorgungszuschlagssatz von 30 %."
Der Haushalts- und Finanzausschuss hat auf der Grundlage des Vorschlags der Rechnungsprüfungskommission dem Landtag empfohlen, die Angelegenheit im Rahmen des Entlastungsverfahrens für erledigt zu erklären (Drucksache 18/7526 S. 21).
Der Landtag hat diesen Beschluss im November 2023 gefasst.