Jahresbericht 2024, Nr. 13 - Rückbau von Windenergieanlagen

- fehlende landesrechtliche Regelungen, unzureichende finanzielle Absicherung und ungenügende Überwachung -

Wesentliches Ergebnis der Prüfung

Mit der endgültigen Aufgabe der Nutzung endet der Bestandsschutz einer im Außenbereich genehmigten Windenergieanlage. Diese ist dann einschließlich ihrer Nebenanlagen zu entfernen. Konkrete Vorgaben des für Umwelt zuständigen Ministeriums zum Umfang der Rückbauverpflichtung des Betreibers fehlten. In der Folge waren die Regelungen in den Genehmigungsbescheiden für nach 2004 genehmigte Windenergieanlagen uneinheitlich und unzulänglich. Es war nicht sichergestellt, dass der Außenbereich wirksam vor unzulässiger Bebauung geschützt wird:

  • Teilweise fehlte eine wirksame Verpflichtungserklärung des Antragstellers zum Rückbau, die eine Voraussetzung für die Errichtungsgenehmigung ist.
  • Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, den Umfang des Rückbaus in den Nebenbestimmungen zur Genehmigung konkret festzulegen, blieb überwiegend ungenutzt.
  • Die Höhe der Sicherheitsleistung entsprach in den meisten Fällen nicht den Kosten für den vollständigen Rückbau der Windenergieanlagen und ihrer Nebenanlagen. Die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze wurden nicht beachtet.
  • Allein für die in die Prüfung einbezogenen Windenergieanlagen waren die Sicherheitsleistungen um 26 Mio. € zu niedrig festgesetzt. Dadurch besteht ein erhebliches Kostenrisiko für die öffentlichen Haushalte.

Auch die Genehmigungen der vor 2004 zugelassenen Windenergieanlagen enthielten keine oder nur ungenügende Nebenbestimmungen zum Rückbau. Die Rückbaukosten waren entweder gar nicht oder nicht ausreichend abgesichert. Dies stellt ein finanzielles Risiko allein bei den geprüften Anlagen von über 16 Mio. € dar.

Bei stillgelegten oder rückgebauten Windenergieanlagen fehlten überwiegend die Stilllegungsanzeigen und vielfach die notwendigen Baugenehmigungen. Die Überwachung des Rückbaus war mangelhaft.

Forderungen des Rechnungshofs · Stellungnahmen der Landesregierung · Parlamentarische Behandlung

(Teilziffer 3 des Jahresberichtsbeitrags)

3.1 Zu den nachstehenden Forderungen wurden die gebotenen Folgerungen bereits gezogen oder eingeleitet:

Der Rechnungshof hatte gefordert,

a) den Umfang des Rückbaus von Windenergieanlagen konkret festzulegen,

b) sicherzustellen, dass Windenergieanlagen nur genehmigt werden, wenn die gesetzlich vorgesehenen Verpflichtungserklärungen zum Rückbau vorliegen und, soweit keine wirksamen Verpflichtungserklärungen vorliegen, die Genehmigungen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu korrigieren,

c) für die Verpflichtung der Antragsteller zum Rückbau der Anlagen nach Nutzungsaufgabe eine Muster-Verpflichtungserklärung zu erarbeiten,

d) zum Schutz des Außenbereichs die Nebenbestimmungen zum Rückbau von Windenergieanlagen zu konkretisieren und landesweit zu vereinheitlichen,

e) auch im Fall der Rechtsnachfolge sicherzustellen, dass Windenergieanlagen vollständig ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zurückgebaut werden,

f) einen einheitlichen Verwaltungsvollzug bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung für den Rückbau sicherzustellen und darauf hinzuwirken, dass hierbei die Grundsätze der Rechtsprechung beachtet werden,

g) zu prüfen, wie das Kostenrisiko für die öffentlichen Haushalte bei unzureichenden Sicherheitsleistungen minimiert werden kann,

h) darauf hinzuwirken, dass auch vor 2004 genehmigte Windenergieanlagen vollumfänglich ohne Verwendung öffentlicher Mittel zurückgebaut werden,

i) die Städte und Gemeinden über die Möglichkeiten zu informieren, in der Bauleitplanung die Neuerrichtung von Anlagen mit dem Rückbau von Altanlagen zu verknüpfen,

j) die Städte und Gemeinden über die Möglichkeiten zu informieren, in Bebauungsplänen Festsetzungen zum Rückbau zu treffen und darauf hinzuwirken, dass der Rückbau in diesen Fällen bereits im Rahmen der Errichtungsgenehmigung sichergestellt und finanziell abgesichert wird,

k) sicherzustellen, dass die Stilllegung von Windenergieanlagen angezeigt sowie die Bauaufsichtsbehörden hierüber in Kenntnis gesetzt werden,

l) darauf hinzuwirken, dass erforderliche Rückbaugenehmigungen beantragt und Rückbaumaßnahmen überwacht sowie nachvollziehbar dokumentiert werden.

3.2 Folgende Forderungen sind nicht erledigt:

Der Rechnungshof hat gefordert, über die Ergebnisse der eingeleiteten Maßnahmen zu Nr. 3.1 Buchstaben a bis l zu berichten.

Die Landesregierung hat für das Entlastungsverfahren zu dem Beitrag folgende Stellungnahme abgegeben (Drucksache 18/9553 S. 18):

"Zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 a) bis f), i), j) und l):
Das Rundschreiben der obersten Bauaufsichtsbehörde zur „Umsetzung der bauplanungsrechtlichen Anforderungen zur Rückbauverpflichtung und Sicherheitsleistung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 BauGB bei der Genehmigung von Windenergieanlagen im Außenbereich“ (kurz „Rundschreiben Windenergie“), welches sich sowohl an die für die Erteilung der Bundesimmissionsschutz-Genehmigung zuständigen Behörden als auch an die Bauaufsichtsbehörden sowie an die Kommunen richten wird, befindet sich derzeit in finaler Abstimmung und soll im zweiten Quartal 2024 veröffentlicht werden. Durch das Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen sollen die Forderungen des Rechnungshofs zu Ziffer 3.1 a) bis f), i), j) und l) umgesetzt werden.

Zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 b):
Es wurde eine umfassende rechtliche Würdigung vorgenommen, ob die Genehmigungen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu korrigieren sind. Dabei wurde festgestellt, dass es in diesen Fällen keine rechtliche Möglichkeit gibt, rechtskräftige Genehmigungsbescheide einseitig durch die Genehmigungsbehörde zu ändern oder zu ergänzen. Zwar ist die Rücknahme eines rechtskräftigen, wegen Fehlens der Verpflichtungserklärung jedoch rechtswidrigen Verwaltungsakts zwar grundsätzlich rechtlich möglich, führt aber nicht zu dem gewünschten Ergebnis, sondern löst im Gegenteil
unter Umständen Schadensersatzansprüche des Betreibers aus.
Das geplante „Rundschreiben Windenergie“ soll die Verwaltungspraxis der Genehmigungsbehörden u. a. im Hinblick auf den Umgang mit der  bundesgesetzlich vorgeschriebenen Verpflichtungserklärung harmonisieren und sicherstellen, dass Windenergieanlagen nur genehmigt werden, wenn die Verpflichtungserklärung zum Rückbau vorliegt.

Zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 g):
Im Ergebnis der Prüfung wurde festgestellt, dass eine unzureichende Sicherheitsleistung nicht automatisch zu einer Belastung der öffentlichen Haushalte führt, da in diesen Fällen wohl eine Verpflichtungserklärung vorliegt und damit die Kosten des Rückbaus grundsätzlich vom Antragsteller zu tragen sind. Nur im Rahmen einer Ersatzvornahme, für die auf diese Sicherheitsleistung zurückgegriffen werden muss, können öffentliche Haushalte in Höhe des fehlenden Differenzbetrages belastet werden. Es besteht hier jedoch im Anschluss grundsätzlich die Möglichkeit, den angefallenen Mehrbetrag beim Betreiber geltend zu machen, da er durch Abgabe der Verpflichtungserklärung die Durchführung des Rückbaus und die Kostentragung verbindlich übernommen hat. Für die Beseitigung baurechtswidriger Zustände haftet darüber hinaus neben dem Betreiber auch der Grundstückseigentümer (Handlungs- und Zustandsstörer).

Zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 h):
Die rechtliche Überprüfung hat ergeben, dass aufgrund des Fehlens der bis 2004 nicht erforderlichen Verpflichtungserklärung über den Rückbau der Anlagen aus bauplanungsrechtlicher Sicht keine rechtliche Handhabe gegen den Anlagenbetreiber besteht. Eine bauordnungsrechtliche Beseitigungsanordnung mit entsprechender Kostentragungspflicht des Betreibers oder Eigentümers kann gem. § 81 Landesbauordnung Rheinland-Pfalz (LBauO RLP) ergehen, wenn die Anlage gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, was regelmäßig nach dauerhafter Aufgabe der Nutzung der Fall sein dürfte, weil dann die Baugenehmigung ihre Geltung verliert. Soweit die Windkraftanlage darüber hinaus im Verfall begriffen sein sollte, kann die Bauaufsichtsbehörde den Betreiber oder Eigentümer des Grundstücks verpflichten, die Anlage abzubrechen oder zu beseitigen (§ 82 LBauO RLP). In Betracht kommt darüber hinaus in diesen Fällen auch ein Rückbau- und Entsiegelungsgebot gem. § 179 Abs. 1 Nr. 2 Baugesetzbuch (BauGB). Die Kostentragungspflicht des Eigentümers ergibt sich dabei aus § 179 Abs. 4 BauGB.

Zu Ziffer 3.2 i.V.m. Ziffer 3.1 k):
Es wurde ein Schreiben des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität an die unteren Behörden versandt, welches Verfahrensvorgaben enthält. Die Behörden wurden aufgefordert, die internen Abläufe zu überprüfen und sicherzustellen, dass die Stilllegungsanzeigen gem. § 15 Abs. 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) unverzüglich den zuständigen Bauaufsichtsbehörden zugeleitet werden."