Hinweise und Empfehlungen des Rechnungshofs zur Reform des Kommunalen Finanzausgleichs und zur Entschuldung der Kommunen in Rheinland-Pfalz

Infolge der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 16. Dezember 2020 wurden die Finanzbeziehungen zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und seinen Kommunen zum 1. Januar 2023 neu geregelt. Darüber hinaus hat das Land die Rechtsgrundlagen zur hälftigen Übernahme der kommunalen Schulden mit Liquiditätskrediten geschaffen. Der vorliegende Beitrag zeigt die Hinweise und Empfehlungen auf, die der Rechnungshof Rheinland-Pfalz in diesen Zusammenhängen gegeben hat.

Ausgangslage

Die Verschuldung der rheinland-pfälzischen Kommunen mit Liquiditätskrediten begann vor rund drei Jahrzehnten und erreichte 2016 mit 6,6 Mrd. € ihren Höhepunkt. Erst seit 2017 erzielten die Kommunen per Saldo wieder durchgehend Kassenüberschüsse. Aufgrund langfristig stark gestiegener Steuereinnahmen und Landeszuweisungen konnten die Kommunen ihre Liquiditätskredite zurückführen. Der Schuldenstand reduzierte sich bis 2021 auf 5,7 Mrd. €. Trotz dieser im Durchschnitt positiven Entwicklung verfehlten auch in den konjunkturell guten Jahren bis zu 40 % der Kommunen den gesetzlichen Haushaltsausgleich.

Liquiditätskredite, die Kommunen nach dem Gesetz nur zur Sicherstellung der unterjährigen Zahlungsfähigkeit nutzen dürfen, dienten in den letzten Jahrzehnten rechtswidrig zur dauerhaften Finanzierung laufender Ausgaben. Die Ursachen hierfür sind weiterhin vielfältig.1 Ländlich geprägte und strukturschwache Kommunen sind bis heute ebenso betroffen wie struktur- und finanzstarke Standorte.

Nach einer erfolgreichen Klage gegen das Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) und eine nicht auskömmliche Finanzierung der Kommunen Anfang der 2010er Jahre wurden Maßnahmen zur Verringerung der kommunalen Schuldenlast auf den Weg gebracht. Das Land vereinbarte mit den Kommunen im Jahr 2010 den Kommunalen Entschuldungsfonds zum Abbau der Liquiditätsverschuldung. Gleichzeitig tolerierte jedoch die Kommunalaufsicht bei „unabweisbaren Haushaltsdefiziten“ immer längere rechtswidrige Kreditlaufzeiten, zuletzt von mehr als 10 Jahren. Da die Aufsichtsbehörden trotz im Flächenländervergleich niedrig(st)en Hebesätzen für die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer regelmäßig die Unabweisbarkeit von Defiziten auch bei evident nicht ausgeschöpften Einnahmequellen stillschweigend unterstellte, kam sie ihrer Pflicht zur Beanstandung offenkundig rechtswidriger Haushaltssatzungen nicht nach.2

In seinen Kommunalberichten hat der Rechnungshof regelmäßig auf die nicht ausgeschöpften Einnahmenpotenziale der Kommunen hingewiesen. Beispielsweise hätten die Gemeinden 2018 mit Realsteuerhebesätzen auf dem Niveau des Durchschnitts der Flächenländer rechnerische Mehreinnahmen von überschlägig 217 Mio. € erzielen können. Analog hätten die Kreise regelmäßig höhere Einnahmen realisiert, wären die Umlagesätze im Rahmen des rechtlich Zulässigen erhöht worden.

Im Jahr 2012 erklärte der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz (VGH) das LFAG im Jahr 20123 in Teilen für verfassungswidrig und verpflichtete das Land, einen „spürbaren“ Beitrag zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise zu leisten und bei den Finanzzuweisungen an die Kommunen auch den Bedarf für die zugewiesenen Aufgaben, vor allem im Bereich Soziales, besonders zu berücksichtigen. Die laufenden Landeszuweisungen stiegen von 2012 bis 2021 mit 7,1 % jährlich auf 5,7 Mrd. € und damit stärker als die kommunalen Steuereinnahmen (6 % p. a. auf 5,9 Mrd.€).

Die Forderung des VGH an die Kommunen, ihrerseits „größtmögliche“ Eigenanstrengungen zur Konsolidierung ihrer Haushalte zu unternehmen, sah der Rechnungshof – wie aufgezeigt – in der Praxis nicht im erforderlichen Umfang umgesetzt.

2018 sah die Landesregierung mit einer weiteren Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes zusätzliche Möglichkeiten zur Entlastung der mit Liquiditätskrediten verschuldeten Kommunen vor. Dazu zählten insbesondere Zuweisungen für eine langfristige Zinsbindung. Der Rechnungshof begrüßte den Ansatz, empfahl aber, den Schwerpunkt auf die Schuldentilgung der Kommunen mit Unterstützung des Landes zu legen.4 Dies sollte mit Konsolidierungsvereinbarungen und haushaltsrechtlichen Maßnahmen verbunden werden. Hierzu empfahl der Rechnungshof u. a. eine kommunale Verpflichtung zur Tilgung und zum Haushaltsausgleich, eine stringente Kommunalaufsicht sowie die Genehmigungspflicht für Liquiditätskredite.5 Ferner regte er an, dass Land und Kommunen angemessene Verfahren prüfen sollten, um den kommunalen Finanzbedarf für Pflichtaufgaben und Auftragsangelegenheiten zu ermitteln.

Diese Empfehlungen griff die Landesregierung 2018 nicht auf. Allerdings wies der VGH zwei Jahre später einen entsprechenden Weg, als er erneut über das LFAG urteilen musste.

VGH Urteil 2020 – vom Steuerverbundsystem zum Bedarfsansatz

Mit seinem Urteil vom 16. Dezember 20206 erklärte der VGH das bisherige LFAG mit der Landesverfassung für unvereinbar. Er trug dem Gesetzgeber auf, den kommunalen Finanzausgleich (KFA) binnen zwei Jahren neu zu regeln. Dabei sollte eine bedarfsorientierte, den Aufgaben der Kommunen entsprechende Finanzausstattung sichergestellt werden. Wie schon 2012 hob der VGH auch die Mitwirkungspflicht der Kommunen bei der Bewältigung ihrer Finanzkrise hervor und wies in diesem Zusammenhang auf die Aufgabe der Kommunalaufsicht hin, eine rechtswidrige Haushaltsführung zu unterbinden.

Der Rechnungshof hatte in den Normenkontrollverfahren ausführlich Stellung genommen.7 Bezüglich des Finanzbedarfs der Kommunen hatte er ausgeführt, dass sich von der bisherigen Verteilungssymmetrie der Finanzmittel von Land und Kommunen nur begrenzt auf den jeweiligen Finanzbedarf und die Leistungsfähigkeit schließen ließe. Das gelte insbesondere auch für die Bemessung der Höhe einer zwingend erforderlichen Mindestfinanzausstattung und einer darüber hinausgehenden angemessenen Finanzausstattung, mit der die Gemeinden die ihnen zugewiesenen Aufgaben sowie in einem bestimmten Umfang frei gewählte Aufgaben erfüllen können.

Der Rechnungshof wies darauf hin, dass verschiedene Ansätze zur bedarfsorientierten Ermittlung des Finanzbedarfs der Kommunen und des Landes existierten. Der Gesetzgeber könne seiner Verpflichtung zum aufgabengerechten Finanzausgleich nur nachkommen, wenn er die Höhe der zur kommunalen Aufgabenerfüllung notwendigen Finanzmittel kenne. Dies setze eine Ermittlung des durch Aufgabenbelastung und Finanzkraft vorgezeichneten Bedarfs der Kommunen voraus. Nach Auffassung des Rechnungshofs könnte eine Finanzbedarfsanalyse besser zu fundierten Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers über die Dotierung der Mittel für den KFA beitragen als die bisher praktizierten Symmetriebetrachtungen im Steuerverbundsystem.

Nach dem Urteil und der Aufnahme der Arbeiten zur Neugestaltung des KFA gab die Landesregierung entsprechend einer Anregung des VGH dem Rechnungshof die Möglichkeit, sich als assoziiertes Mitglied der Arbeitsgruppe „KFA-Reform 2023“ anzuschließen.

Die erste Aufgabe bei der Erarbeitung des neuen Ausgleichssystems bestand darin, die kommunalen Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung und Auftragsangelegenheiten erstmals vollständig zu erfassen. Der Rechnungshof nahm im April 2021 zu einem Zwischenstand des Katalogs Stellung, wobei er insbesondere die Ergänzung bestimmter Aufgaben anregte.8

Im weiteren Vorbereitungsprozess nahmen Mitarbeitende des Rechnungshofs an den Videokonferenzen der Facharbeitsgruppen teil. Sie äußerten sich mit Hinweisen und Fragen u. a. zum Finanzbedarf für Investitionen, zum Pflichtcharakter von Jugendhilfeaufgaben und zu den Auswirkungen des Soziallastenansatzes.9

Stellungnahmen des Rechnungshofs zum Entwurf des LFAG

Der Rechnungshof begrüßte die konkrete Berechnung einer angemessenen Mindestfinanzausstattung für pflichtige und ein Mindestmaß freiwilliger Aufgaben als einen großen Fortschritt und als Chance zur Konsolidierung der Kommunalfinanzen. Im Gesetzgebungsverfahren äußerte er sich zudem mit konkreten Hinweisen und Empfehlungen, die teilweise Berücksichtigung fanden.10

Er erinnerte daran, dass der Gesetzgeber nach dem Urteil des VGH bei der Mindestfinanzausstattung eine Aufgabenübererfüllung nicht berücksichtigen müsse. Durch das gewählte Korridorverfahren würden Mehrausgaben aufgrund unwirtschaftlicher Haushaltsführung nicht als Bedarfe anerkannt. Die Verfassungsgerichte von Thüringen und Hessen hätten ein entsprechendes Verfahren zur abstrakten Eliminierung unwirtschaftlicher Defizitanteile aus dem Mindestbedarf gebilligt.

Durch die Anwendung des Korridorverfahrens seien die Defizite der rheinland-pfälzischen Kommunen im Durchschnitt um 5,35 % reduziert worden. Die vergleichenden Analysen in den Kommunalberichten der letzten Jahre zeigten, dass Kommunen gleiche Aufgaben unterschiedlich wirtschaftlich erledigten. Die Annahme, dass die Kommunen mit einer wirtschaftlicheren Haushaltsführung rund 5 % geringere Defizite ausgewiesen hätten, sei durchaus realistisch.

Der Rechnungshof wies darauf hin, dass der Gesetzgeber nicht nur die wirtschaftliche Aufgabenerledigung, sondern auch eine umfassende Ausschöpfung der kommunalen Einnahmenpotenziale prüfen müsse. Durch die Anhebung der Nivellierungssätze für die Grundsteuer B auf einheitlich 465 % werde Rheinland-Pfalz nicht zum Hochsteuerland, was der Vergleich mit anderen Flächenländern zeige.11 Andere Länder hätten die Einnahmestrukturen ihrer Kommunen und damit auch deren Krisenresilienz in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert.

Nach Ausschöpfung der Einsparmöglichkeiten in einer Kommune seien die Hebesätze im Rahmen des rechtlich Möglichen so anzupassen, dass der Haushaltsausgleich in Planung und Vollzug sichergestellt werde. Dazu könnten auch Hebesätze deutlich jenseits der Durchschnittssätze der Flächenländer erforderlich sein. Aufgabe der Kommunalaufsicht sei es hierbei, dem Haushaltsausgleichsgebot wieder Geltung zu verschaffen.

Der Rechnungshof hat in einer Reihe von Berichten den Investitionsstau im kommunalen Bereich aufgezeigt. Um zu verhindern, dass im neuen Bedarfsansatz der Mindestbedarf zum Abbau von Investitionsrückständen auf Dauer nicht zutreffend abgebildet wird, regte er an, im Zuge der Weiterentwicklung des neuen KFA alternative Methoden zur Ermittlung des Mindestbedarfs zu prüfen.

Der Gesetzentwurf sah für 2023 und 2024 einen „Härteausgleich“ für die kreisfreien Städte vor, um eine geringere Finanzausstattung gegenüber der Anwendung des bisherigen Systems auszugleichen. Der Rechnungshof wies darauf hin, dass sich die kreisfreien Städte mit ihren bereits höheren Realsteuerhebesätzen in geringerem Maße an den vorgesehenen Nivellierungssatz anpassen müssten als die kreisangehörigen Gemeinden. Eine Ausweitung dieser Kompensation auf den Landkreisbereich könne daher sachgerecht sein.

Der vorgenannte „Härteausgleich“ ist allerdings etwas anderes als der vom VGH als Option genannte Ausgleich besonderer Härten für Kommunen, die für den Haushaltsausgleich Hebe- oder Umlagesätze verabschieden müssten, die deutlich über denen vergleichbarer Gebietskörperschaften liegen. Der Rechnungshof rief diese Anregung wiederholt in Erinnerung, um einer Neuverschuldung solcher Kommunen vorzubeugen. Der Ausgleichsstock könne hierfür um einen Härteausgleich erweitert werden. Bei rechtlich unabweisbaren Haushaltsdefiziten sollten Unterstützungen mit Konsolidierungsauflagen im Rahmen eines Haushaltssicherungskonzepts verbunden werden. Der Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Zu einer früheren Entwurfsfassung des Gesetzes hatte der Rechnungshof angemerkt, dass der Berechnungsmodus für den Ausgleich von Belastungen nach dem Zweiten, Achten, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozial- und Jugendhilfeansatz) nicht gedeckter Leistungsausgaben zu einer „Überkompensation“ zugunsten von Städten und Landkreisen mit relativ hohen Leistungsausgaben führe. Zudem machte er mögliche Fehlanreize bei der stationären Versorgung von Leistungsberechtigten aus. So könne der Wegfall der Schlüsselzuweisung C 1 u. U. dazu führen, dass die örtlichen Träger der Heimaufnahme gegenüber der ambulanten Versorgung den Vorzug gäben, weil sie mit geringeren von ihnen zu übernehmenden Sozialhilfeaufwendungen verbunden sei.

Die Problematik der sachwidrigen Privilegierung von Mehrausgaben im Bereich des Sozial- und Jugendhilfeansatzes wurde mit einer Überarbeitung des Gesetzentwurfs zwar abgemildert, aber nicht beseitigt. Das System bietet im Einzelfall nach wie vor Fehlanreize, indem Trägern der Sozial- und Jugendhilfe für zusätzliche Ausgaben möglicherweise mehr erstattet wird, als angefallen ist.

Ein weiterer Hinweis des Rechnungshofs betraf die Fortschreibung des ermittelten Bedarfs. Die für die Jahre 2023 und 2024 angenommenen Inflationsraten schienen angesichts der Prognosen zu gering. Der Empfehlung, für die Beschlussfassung aktualisierte Inflationsprognosen heranzuziehen, ist man nicht gefolgt.

Am 24. November 2022 verabschiedete der Landtag Rheinland-Pfalz das Landesgesetz zur Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den kommunalen Gebietskörperschaften.

Übernahme kommunaler Liquiditätskredite durch das Land

Der VGH hatte in seinem Urteil von 2020 auch an die bereits 2012 „angemahnte Entlastung der stark verschuldeten Kommunen“ erinnert. Ohne die Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel erscheine der Abbau der Liquiditätskredite ausgeschlossen.12

Im Dezember 2021 erklärte die Ministerin der Finanzen die Bereitschaft des Landes, die Hälfte der kommunalen Liquiditätskredite zu übernehmen.13 Am 1. April 2022 verabschiedete der Landtag das verfassungsändernde Gesetz, mit dem Artikel 117 der Verfassung für Rheinland-Pfalz um einen Absatz 4 zur Übernahme von Liquiditätskrediten der Kommunen (zum Stand vom 31. Dezember 2020) durch das Land ergänzt wurde.14

Der Rechnungshof nahm schriftlich und im Haushalts- und Finanzausschuss Stellung zu dem Vorhaben. Dabei begrüßte er, dass das Land die Kommunen bei ihrer Entschuldung unterstütze. Verfassungsrechtliche Bedenken äußerte er jedoch dagegen, dass eine Übernahme von bis zu 3 Mrd. € kommunaler Schulden nicht unter die Schuldenregel fallen solle.15 Wirtschaftlich komme die Schuldübernahme einer Einnahme aus Krediten gleich, welche die grundgesetzlich verankerte Schuldenregel verbiete. Der Rechnungshof schlug anstelle der Schuldübernahme jährliche Zuschüsse an die Kommunen vor, geknüpft an die Bedingung, dass die Kommunen ihre Haushalte ausgleichen. Entsprechend hatte sich der Rechnungshof schon 2018 geäußert (vgl. oben).

Für den Fall, dass das Land an dem Vorhaben festhalte, regte der Rechnungshof Modifikationen des verfassungsändernden Gesetzes an, um die Norm stärker am Grundgedanken der Schuldenregel zu orientieren. Zu diesen Vorschlägen zählte zum einen die – schließlich auch umgesetzte – Festschreibung der Tilgungspflicht der übernommenen Kredite. Aus Sicht des Rechnungshofs folgt dies dem Grundgedanken der Schuldenregel, einen dauerhaften Schuldenanstieg zu vermeiden. Zum anderen wurde die Norm zeitlich befristet. Nach einem ergänzten Verfassungsartikel (143e) wird sie mit dem Ende der 18. Wahlperiode am 18. Mai 2026 außer Kraft treten. Die Tilgungspflicht des Landes bleibt davon unberührt. Nicht gefolgt wurde hingegen dem Vorschlag, 3 Mrd. € als Höchstbetrag für die Entschuldung in der Verfassung festzulegen.

Die Einzelheiten der Schuldübernahme wurden durch das „Landesgesetz über die Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen in Rheinland-Pfalz“ (LGPEK-RP) umgesetzt.16 In diesem Gesetzgebungsprozess unterbreitete der Rechnungshof erneut seine auf Prüfungserfahrung gründenden Vorschläge.

Rechnungshof empfiehlt Nachschärfung kommunalrechtlicher Regelungen

Der Rechnungshof hat in der Vergangenheit mehrfach betont, dass die im Ergebnis begrüßenswerte Entlastung der hoch verschuldeten Kommunen nur erfolgreich und nachhaltig sein könne, wenn ein erneuter Aufwuchs der Liquiditätskredite verhindert werde. Dieses Ziel wurde schließlich auch in das vorgenannte Landesgesetz, das die Schuldübernahme regelt, aufgenommen.

Das neue Gesetz bot Anlass, einige kommunalrechtliche Vorschriften anzupassen. In diesem Zuge wurde dem langjährigen Petitum des Rechnungshofs, die Genehmigungspflicht für Liquiditätskredite wiedereinzuführen, mit Änderung der Gemeindeordnung Rechnung getragen. Allerdings bedarf es aus Sicht des Rechnungshofs ergänzender Hinweise in den Verwaltungsvorschriften, die eine einheitliche und konsequente aufsichtsbehördliche Praxis sicherstellen.

Mit weiteren Regelungsvorschlägen, die eine künftig rechtmäßige Haushaltswirtschaft und damit die Vermeidung des Neuaufwuchses von Liquiditätskrediten zum Ziel hatten, fand der Rechnungshof kein Gehör.

Er empfahl insbesondere, das Einschreiten bei rechtswidrigen Haushaltssatzungen nicht weiter uneingeschränkt in das Ermessen der Finanzaufsicht zu legen, sondern zumindest bei unausgeglichenen Finanzhaushalten wegen deren Relevanz für einen erneuten Anstieg der Liquiditätskredite zur Pflicht zu machen. Der Rechnungshof bezog sich dabei auch auf den VGH, der 2020 festgestellt hatte, dass „Korrekturpflichten im Bereich der Finanzierung – etwa im Bereich der Realsteuerhebesätze – bzw. auf der Ausgabenseite bei der Aufgabenwahrnehmung abzuleiten und notfalls durchzusetzen“ seien. Dadurch könnte verhindert werden, dass während der Entschuldung neue Schulden angehäuft werden und die Maßnahme fehlschlägt.

Wo es aber tatsächlich unabweisbare Defizite gibt und diese gegenüber der Kommunalaufsicht nachgewiesen werden können, sollte es aus Sicht des Rechnungshofs den auch vom VGH angeregten Härteausgleich geben. Nach hessischem Vorbild sollten die betroffenen Kommunen Haushaltssicherungskonzepte mit verbindlichen Konsolidierungsmaßnahmen aufstellen, die von der Kommunalaufsicht zu genehmigen sind.

Um die Eigenverantwortung der Kommunen zu stärken, sollte eine weitere Regelung nach hessischem Vorbild aufgenommen werden, nach der sich die Vertretungskörperschaft durch Beschluss ausdrücklich auf den Haushaltsausgleich verpflichtet. Eine solche Selbstverpflichtung der Kommunen zum Haushaltsausgleich würde deren Eigenverantwortung stärken und die Kommunalaufsicht entlasten.

Der Rechnungshof wandte sich gegen die in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehene Laufzeit für neue Liquiditätskredite von bis zu drei Jahren, in atypischen Fällen auch über diesen Zeitraum hinaus. Das seien, so argumentierte er, keine stringenteren Haushaltsvorgaben, sondern eine deutliche Aufweichung der sonst üblichen Regelung, dass unterjährige Kredite zur Liquiditätssicherung zum Ende eines Haushaltsjahres zurückzuführen sind.

Die Landesregierung verwies zu einigen Empfehlungen auf die konsequente Umsetzung der bestehenden Regelungen durch die Kommunalaufsicht, die unabhängig von der Teilnahme am Entschuldungsprogramm für alle Gemeinden und Gemeindeverbände gelten würden. Der Rechnungshof erinnerte in seinen Stellungnahmen hingegen daran, dass die rheinland-pfälzische Praxis leider eher durch Verhandlungen mit der Kommunalaufsicht geprägt sei.

Dabei soll es anscheinend auch bleiben: So wird in einem Rundschreiben des Ministeriums des Innern und für Sport vom 13. Dezember 2022 an die kommunalen Gebietskörperschaften zur kommunalen Haushaltskonsolidierung zwar zutreffend ausgeführt, dass alle gestaltbaren Möglichkeiten zur Ausgabenreduzierung sowie zur Ausschöpfung der eigenen Einnahmequellen zu nutzen seien, um das oberste Ziel, einen Haushaltsausgleich, zu erreichen. Kommunen sollten allerdings frühzeitig – so das Schreiben weiter – das Beratungsangebot ihrer Kommunalaufsicht in Anspruch nehmen, „um eine für beide Seiten tragfähige und nachhaltige Lösung zu finden“.

Der VGH hat in seiner Entscheidung 2020 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Korrekturpflichten auf der Einnahmen- und Ausgabenseite „notfalls durchzusetzen“ sind. Ein nicht unabweisbares Defizit in der Haushaltsplanung ist rechtswidrig und macht ein Einschreiten der Kommunalaufsicht erforderlich. Es wird nicht dadurch rechtmäßig, dass Aufsichtsbehörde und Kommune seine weitere Reduzierung im Konsens für „nicht tragfähig“ erachten.

Die Reform des LFAG und die Entschuldung der Kommunen sind eine große Chance auf dem Weg zur Konsolidierung der kommunalen Finanzen. Die Beachtung geltender kommunalrechtlicher Vorschriften ist hierfür eine zwingende Voraussetzung. Die aufgezeigte Nachschärfung dieser Vorschriften ist aus Sicht des Rechnungshofs darüber hinaus geboten.


1 Der Rechnungshof zeigt im Themenbeitrag „Liquiditätskredite zur Dauerfinanzierung von Haushaltsdefiziten“ vom September 2018 die Entwicklung der Verschuldung, Maßnahmen zu ihrer Bewältigung und Ansätze für eine Konsolidierung der kommunalen Haushalte auf.

2 Vgl. Beitrag Nr. 11 – Finanzaufsicht der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion über defizitär wirtschaftende Kommunen – des Jahresberichts 2021.

3 VGH N 3/11.

4 Die Stellungnahme kann als Vorlage 17/3552 aus dem Offenen Parlamentarischen Auskunftssystem des Landtags Rheinland-Pfalz (OPAL) abgerufen werden.  

5 Die war 1991 abgeschafft worden.

6 VGH N 12, 13 und 14/19.

7 Eine Zusammenfassung dieser Stellungnahme kann dem Urteil des VGH (siehe vorstehende Fußnote) entnommen werden.

8 Die Stellungnahme des Rechnungshofs zum Aufgabenkatalog ist in der vom MdI zusammengestellten Dokumentation zur KFA-Reform abgedruckt (Vorlage 18/2433 Anlage 3.4).

9 Protokolle der Sitzungen, die zwischen Oktober 2021 und Februar 2022 stattfanden, sind in der Dokumentation zur KFA-Reform abgedruckt (Vorlage 18/2433).

10 Der Rechnungshof nahm zunächst zu ausgewählten Regelungen des am 10. Mai 2022 vom Ministerrat gebilligten Referentenentwurfs Stellung. Diese Stellungnahme findet sich in der Dokumentation zur KFA-Reform (Vorlage 18/2433, Anlagenband S. 347 ff.). Im September 2022 leitete der Rechnungshof dem Innenausschuss zur Unterstützung der Beratungen eine Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf mit Stand vom 8. September 2022 zu (Vorlage 18/2576). Im November 2022 fasste Rechnungshofpräsident Berres die Anmerkungen des Rechnungshofs zum Gesetzentwurf noch einmal im Innenausschuss zusammen (Protokoll 18/16).

11 Durchschnittliche Hebesätze Grundsteuer B 2021: RLP 412 %, andere Flächenländer 467 %, Hessen 503 %

12 Urteil vom 14. Februar 2012 – VGH N 3/11 –.

13 Plenarprotokoll 18/12 S. 28.

14 Drucksache 18/2301.

15 Der Themenbeitrag des Rechnungshofs „Schuldenbremse und Übernahme kommunaler Liquiditätskredite“ vom Februar 2023 nimmt zu der Schuldübernahme ausführlicher Stellung.

16 Gesetzentwurf in Drucksache 18/4937, beschlossen am 25. Januar 2023.