Liquiditätskredite zur Dauerfinanzierung von Haushaltsdefiziten
Schuldenentwicklung – Konsolidierungsmaßnahmen – Empfehlungen
Die Verschuldung der kommunalen Haushalte mit Liquiditätskrediten stellt Land und Kommunen vor drängende Aufgaben der Haushaltskonsolidierung und des Schuldenabbaus. In diesem Themenbeitrag werden die Entwicklung der Verschuldung, Maßnahmen zu ihrer Bewältigung und aktuelle Ansätze für eine Konsolidierung der kommunalen Haushalte synoptisch aus bisherigen Veröffentlichungen und Diskussionsbeiträgen aufgezeigt.
1. Ausgangslage und rechtliche Grundlagen
„Seit Jahren werden Liquiditätskredite zur dauerhaften Finanzierung laufender Ausgaben aufgenommen. Diese Praxis steht mit den gesetzlichen Vorgaben nicht in Einklang. Dies gilt auch für die vom Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur (ISIM) zugelassenen Kreditlaufzeiten von bis zu zehn Jahren...“ (Kommunalbericht (KB) 2013, S. 61f.).
Nach der Gemeindeordnung (GemO) ist der Haushalt in jedem Haushaltsjahr in Planung und Rechnung auszugleichen (§ 93 Abs. 4 GemO). Dies ist der Fall, wenn der Haushaltsplan und die Haushaltsrechnung in der „Ergebnisrechnung“ mindestens ausgeglichen sind, in der „Finanzrechnung“ der Saldo der Ein- und Auszahlungen ausreicht, um die planmäßige Tilgung von Investitionskrediten zu decken, soweit diese nicht anderweitig gedeckt sind, und in der Bilanz kein negatives Eigenkapital (Überschuldung) auszuweisen ist (§ 18 Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO)).
Dieser Haushaltsgrundsatz verpflichtet zum Haushaltsausgleich, wirkt als Schuldenbremse und schützt Kommunen vor einer Überschuldung.
Damit die Gemeinde jederzeit ihre Zahlungsfähigkeit sicherstellen kann, darf sie zur rechtzeitigen Leistung ihrer Auszahlungen Kredite zur Liquiditätssicherung bis zu dem in der Haushaltssatzung festgesetzten Höchstbetrag aufnehmen, soweit keine anderen Mittel zur Verfügung stehen. Diese Ermächtigung gilt über das Haushaltsjahr hinaus bis zur öffentlichen Bekanntmachung der neuen Haushaltssatzung. Die Aufnahme von Krediten zur Liquiditätssicherung ist nur zulässig, soweit für die Gemeindekasse keine anderen Mittel (z.B. liquide Mittel oder Mittel der Sondervermögen) zur Verfügung stehen. Kredite zur Liquiditätssicherung sollen lediglich den verzögerten Eingang von Deckungsmitteln überbrücken (§ 105 GemO).
In Rheinland-Pfalz wurde die Genehmigungspflicht für Liquiditätskredite 1991 abgeschafft (Artikel 1 Erstes Landesgesetz zur Fortführung der Verwaltungsvereinfachung vom 8. April 1991 (GVBl. S. 104)). Zuvor war der in der Haushaltssatzung festgelegte Höchstbetrag der Kassenkredite genehmigungspflichtig, wenn dieser mehr als ein Sechstel der Einnahmen des Verwaltungshaushalts betrug. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der damaligen Landesregierung (Landtagsdrucksache 11/4730) war die Genehmigungspflicht in der Praxis wenig relevant gewesen, da nur selten die Grenze, die eine Genehmigungspflicht auslöst, überschritten wurde. Außerdem seien, so die weitere Begründung, in erster Linie Ortsgemeinden von erhöhten Kassenkrediten betroffen gewesen. Tatsächlich wurden die Liquiditätskredite in den 1990er Jahren und bis heute nicht nur unterjährig zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit aufgenommen, sondern letztlich entgegen der GemO zur dauerhaften Finanzierung unausgeglichener Haushalte.
Seit dieser Zeit erstreckt sich die Genehmigung der Haushaltssatzung einer Kommune durch die Aufsichtsbehörde nur auf die Summe der Verpflichtungsermächtigungen, für die in den künftigen Haushaltsjahren voraussichtlich Investitionskredite aufgenommen werden müssen und den Gesamtbetrag der Investitionskredite (§ 95 Abs. 4 GemO).
2. Kennzeichen und vielfältige Ursachen der Verschuldung
Die Verschuldung mit Liquiditätskrediten begann bei kreisfreien Städten in den 1990er Jahren. Sie wurde in den 2000er Jahren auch für Landkreise, Verbandsgemeinden und Gemeinden zu einem Finanzierungsinstrument für Haushaltsdefizite. 2017 betrug die Gesamtverschuldung mit Liquiditätskrediten, auch Konsum- oder Dispokredite genannt, mindestens rd. 6,4 Mrd. €. Rheinland-Pfalz weist nach dem Saarland und vor Nordrhein-Westfalen und Hessen bundesweit die zweithöchste Pro-Kopf-Verschuldung mit Liquiditätskrediten auf (vgl. KB 2018).
Die hohe Verschuldung in Rheinland-Pfalz hat vielfältige Ursachen. Es gibt ländlich geprägte Landkreise wie den Rhein-Hunsrück-Kreis oder den Westerwaldkreis, die ohne Liquiditätskreditschulden auskommen, strukturschwache Regionen wie Pirmasens oder den Landkreis Kusel mit der höchsten Liquiditätskreditverschuldung je Einwohner, aber auch sehr strukturstarke Standorte wie Ludwigshafen am Rhein und Mainz mit ebenfalls hohen Schuldenständen.
Die rheinland-pfälzischen Kommunen haben – bei erheblichen Unterschieden im Einzelfall – in den Jahren 1990 bis 2017 im Finanzhaushalt durchschnittliche Defizite von 292 Mio. € jährlich ausgewiesen. Bis auf das Jahr 2017 und 2015 (mit einem Sondereffekt) übertrafen die Ausgaben der Kommunen im Durchschnitt stets ihre Einnahmen.
Die Sozialausgaben stiegen in dem Zeitraum von 1990 bis 2017 um 342 % auf 3,1 Mrd. €, die Personalausgaben um 143 % auf 3,0 Mrd. €, der laufende Sachaufwand um 138 % auf 2,2 Mrd. € und die Sachinvestitionen um 2 % auf 1,1 Mrd. €. Auf der Einnahmenseite konnten Zuwächse bei Steuern um 121 % auf 4,5 Mrd. €, bei Einnahmen aus Verwaltung und Betrieb um 71 % auf 1,1 Mrd. € und bei Zuweisungen und Zuschüssen des Landes um 276 % auf 4,7 Mrd. € verbucht werden. Die größten Steigerungsraten sind über den langen Zeitraum wie in den letzten zehn Jahren bei den Sozialausgaben festzustellen (vgl. auch KB 2018, S.41), eine Entwicklung, die sich vor allem zulasten der Investitionen und damit des Erhalts des Infrastrukturvermögens vollzog.
Nach den Prüfungen des Rechnungshofs zählen eine zum Teil unzureichende Finanzausstattung, steigende Soziallasten, konjunkturbedingt schwankende Steueraufkommen sowie extern festgelegte Standards bei der Aufgabenerfüllung zu wichtigen exogenen Ursachen der Verschuldung, die zum Teil über einen sehr langen Zeitraum wirken oder gewirkt haben. Höhere Standards wurden im Vergleich zu anderen Ländern beispielsweise bei der Eingliederungshilfe und den Kindertagesstätten festgestellt. Ferner führt die bundesweit kleinteiligste Verwaltungsgliederung, zumindest im Bereich der inneren Verwaltung, zu höheren Personalkosten.
Bei den Einnahmen gilt es ferner, die deutlich unterschiedliche Finanzkraft der rheinland-pfälzischen Kommunen zu berücksichtigen. Insbesondere gab es und gibt es unterschiedliche Auffassungen über die angemessene Finanzierung von Aufgaben durch das Land im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs, der Struktur- und Belastungsunterschiede vermindern soll (vgl. Nr. 8).
Die Kommunen könnten aber auch die endogenen Potenziale stärker nutzen. So weist Rheinland-Pfalz im Vergleich der Flächenländer seit Jahren den niedrigsten Durchschnittshebesatz bei der Grundsteuer B auf und liegt bei den Hebesätzen der Gewerbesteuer unter dem Durchschnitt der Flächenländer; diese Feststellungen gelten insbesondere für die hochverschuldeten kreisfreien Städte. Ferner sieht der Rechnungshof nicht genutzte Einsparmöglichkeiten in der Personal- und Sachausstattung sowie u. a. unzureichende oder unterlassene Wirtschaftlichkeitserwägungen bei Beschaffungen und Baumaßnahmen.
Insgesamt betrachtet steht die Höhe der kommunalen Verschuldung kaum im Einklang mit der vergleichsweise guten Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage des Landes. Rheinland-Pfalz weist seit vielen Jahren nach Bayern und Baden-Württemberg die drittniedrigste Arbeitslosigkeit auf. Auch die Mindestsicherungsquote – sie stellt den Anteil der Empfänger bestimmter Sozialleistungen an der Gesamtbevölkerung dar – ist die drittniedrigste im Ländervergleich (2016). Zwar haben die rheinland-pfälzischen Kommunen unterdurchschnittliche Pro-Kopf-Einnahmen (Platz 8 im Vergleich der Flächenländer). Allerdings müssen die Kommunen in einigen anderen Ländern mit weniger Geld haushalten, ohne dass sich vergleichbare Schuldenstände angesammelt haben (vgl. KB 2018).
3. Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs 2012
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat auf Klage eines Landkreises die Frage, ob die Regelungen des Landesfinanzausgleichsgesetzes hinsichtlich der Gewährung von Schlüsselzuweisungen an die Landkreise für das Jahr 2007 verfassungsgemäß sind, dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt. Das Gericht sah wegen zu geringer Schlüsselzuweisungen die verfassungsrechtlich gebotene Finanzausstattung der Landkreise nicht gewährleistet, da insbesondere der Anstieg der Ausgaben für soziale Leistungen nicht im erforderlichen Umfang ausgeglichen worden sei.
Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat in seiner Entscheidung vom 14. Februar 2012 (VGH N 3/11) u. a. darauf hingewiesen, dass
- das Land einen „spürbaren“ Beitrag zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise leisten soll,
- die zur Verfügung stehenden Finanzmittel gleichmäßig und gerecht zwischen Land und Kommunen verteilt werden müssten (Grundsatz der Verteilungssymmetrie),
- das Land verpflichtet ist, bei den Finanzzuweisungen an die Kommunen auch den Bedarf für die staatlich zugewiesenen Aufgaben, wie z. B. Sozialausgaben, besonders zu berücksichtigen und
- die Kommunen ihrerseits „größtmögliche“ Eigenanstrengungen zur Konsolidierung ihrer Haushalte unternehmen müssen.
Das Land erhöhte 2014 die Finanzausgleichsmasse um effektiv 50 Mio. € und führte im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs die Schlüsselzuweisungen C 1 und C 2 ein. Für 2018 ist eine weitere Schlüsselzuweisung (C 3) geplant. Mit diesen Maßnahmen sollten vor allem die zunehmenden Sozialkosten der kreisfreien Städte und Landkreise abgefedert werden (vgl. Nr. 8).
Viele von der Verschuldung betroffene Kommunen haben im Rahmen des Kommunalen Entschuldungsfonds und wegen der Erhöhung der Nivellierungssätze für die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer ihre Realsteuerhebesätze angehoben. Das durch die Anhebung der Hebesätze erzielte Volumen an zusätzlichen Steuereinnahmen seit 2013 wurde mit 86 Mio. € beziffert (vgl. Junkernheinrich, Frankenberg, Micosatt, Kommunalfinanzen in Rheinland-Pfalz, Forum Öffentliche Finanzen, Band 15, S. 15).
4. Kommunaler Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz 2012
Um die Verschuldung der rheinland-pfälzischen Kommunen in den Griff zu bekommen, vereinbarte das Land 2010 mit den kommunalen Spitzenverbänden die Einrichtung des Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz (KEF-RP). Ziel des Fonds ist es, die kommunalen Liquiditätskredite einschließlich der hieraus resultierenden Zinslasten bis Ende 2026 um bis zu 3,8 Mrd. € zu reduzieren. Die Teilnahme am Fonds ist für die Kommunen freiwillig. Die Teilnehmer können für 78,26 % ihrer Ende 2009 vorhandenen Liquiditätskredite Mittel aus dem Fonds für Tilgungsleistungen und zur Verringerung der Zinsen erhalten. Voraussetzung ist, dass sie sich in einem Konsolidierungsvertrag mit dem Land verpflichten, eigene, konkret benannte Maßnahmen zur Konsolidierung durchzuführen. Die Finanzausstattung des Fonds von insgesamt 3,825 Mrd. € wird zu je einem Drittel aus Landesmitteln, aus dem kommunalen Finanzausgleich – und damit durch die Solidargemeinschaft der Kommunen – sowie aus einem Eigenanteil der am Fonds teilnehmenden Kommunen aufgebracht. Während der 15-jährigen Fondslaufzeit stehen 255 Mio. € jährlich zur Verfügung. Anfang Dezember 2014 hatten 829 Kommunen Konsolidierungsverträge geschlossen (KB 2015).
Der Rechnungshof stellte im Kommunalbericht 2015 fest: „Nach dem vergleichsweise moderaten Zuwachs des Jahres 2013 (+ 1,6 %) ist die Verschuldung aus Liquiditätskrediten 2014 im Vorjahresvergleich deutlich gestiegen (+ 4,0 %). Von dem auch mit dem Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz (KEF-RP) verfolgten Ziel einer Nettotilgung der Kredite sind die Gemeinden weit entfernt. Nach den vertraglichen Vereinbarungen zur Teilnahme am Entschuldungsfonds hätte der Bestand an Liquiditätskrediten der Fondsteilnehmer 2012 bis 2014 um insgesamt 0,6 Mrd. € verringert werden sollen. Tatsächlich stieg die Liquiditätskreditverschuldung in diesem Zeitraum um 0,7 Mrd. €. Ziel des Entschuldungsfonds ist es, bis zu zwei Drittel der Ende 2009 vorhandenen Schulden aus Liquiditätskrediten innerhalb von 15 Jahren zu tilgen. Von dem Schuldenstand zum Jahresende 2014 (6.473 Mio. €) wurden lediglich 44 % vom Entschuldungsfonds 'erfasst'.“
Ferner hatte der Rechnungshof 2014 bei acht Kreisverwaltungen den Vollzug des KEF-RP bezüglich der am Fonds teilnehmenden Kommunen ihres Aufsichtsbereichs geprüft (KB 2015). Die Prüfung erstreckte sich auf die Konsolidierungsverträge, die Konsolidierungsnachweise sowie die Bewilligung und Verwendung der Fondsmittel. Die in die Querschnittsprüfung einbezogenen Kreisverwaltungen führten die Rechtsaufsicht über 426 Fondsteilnehmer. Dies entsprach 56 % der am Fonds teilnehmenden kreisangehörigen Gemeinden und Verbandsgemeinden.
Die Fondsteilnehmer im Zuständigkeitsbereich der geprüften Kreisverwaltungen hatten bis 2014 Konsolidierungsbeiträge von 17,3 Mio. € zu erwirtschaften. Über 90 % dieses Betrags entfiel auf vertraglich vereinbarte Maßnahmen zur Einnahmeverbesserung (im Wesentlichen durch die Anhebung von Realsteuerhebesätzen, die Erhöhung von Zweitwohnungs-, Hunde- oder Vergnügungssteuern sowie höhere Verbandsgemeindeumlagen). Einsparungen waren hingegen lediglich im Umfang von weniger als 10 % der Konsolidierungsbeiträge vereinbart worden.
Der Rechnungshof betonte, dass die Ausschöpfung von Einnahmequellen zwar notwendig ist, eine wirksame Konsolidierung dauerhaft aber nur möglich ist, wenn auch die Ausgaben einbezogen werden. Die Aufsichtsbehörde konnte bei Vertragsverhandlungen im Rahmen des KEF-RP zwar Konsolidierungsmaßnahmen anstoßen, die einseitige Durchsetzung im Rahmen der Rechtsaufsicht ist aber nicht oder nur eingeschränkt möglich. Dazu zählt zum Beispiel die konsequente Umsetzung von Ergebnissen überörtlicher Prüfungen zu wirtschaftlicherem Verwaltungshandeln (KB 2015).
Auch in den Jahren 2014 bis 2016 fiel die neue Schuldenaufnahme der Kommunen höher aus als die Tilgung. Sie war jedoch deutlich moderater als in den Vorjahren, in denen zum Teil zweistellige Zuwachsraten zu verzeichnen waren.
Insgesamt verhinderte der ab dem Jahr 2012 umgesetzte Kommunale Entschuldungsfonds einen noch stärkeren Schuldenanstieg. Die Schulden wurden seit 2012 allerdings nicht wie geplant um 900 Mio. € reduziert, sondern stiegen bis 2016 um 800 Mio. € auf 6,6 Mrd. € an.
Bis Ende 2016 konnten immerhin 12 % der am Fonds teilnehmenden Gemeinden und Gemeindeverbände wegen Erreichung des Konsolidierungsziels aus der Teilnahme am Fonds ausscheiden. Deren Liquiditätskredite hatten jedoch lediglich einen Anteil von 1 % am Gesamtvolumen der Verschuldung aus solchen Krediten (KB 2017).
Die Frage, warum der KEF hinter den Möglichkeiten der Entschuldung mittels Tilgungshilfen des Landes zurückblieb, mag auch in den vertraglichen Regelungen und Öffnungsmöglichkeiten begründet sein. Im KEF-Vertrag verpflichteten sich die Kommunen, eine Mindest-Nettotilgung zu erbringen. Falls diese jedoch in „besonderen Einzelfällen ausnahmsweise trotz der Entschuldungshilfen und einer strengen Haushaltsdisziplin nicht realisiert werden kann, müssen die bestehenden Verbindlichkeiten aus der Aufnahme von Liquiditätskrediten bzw. die Begründung neuer Verbindlichkeiten aus der Aufnahme von Liquiditätskrediten wenigstens im möglichen Umfang vermindert werden.“
5. Kommunaler Schutzschirm in Hessen 2012
Parallel zum Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz, der Tilgungshilfen zum Abbau von Altschulden vorsieht, wurden in Hessen 2012 Konsolidierungsverträge im Rahmen des Schutzschirmgesetzes („Kommunaler Schutzschirm“) zur Erreichung des Haushaltsausgleichs vereinbart. Die Vertragsparteien waren sich einig, dass „eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung Voraussetzung zum Erhalt der finanziellen Handlungsfähigkeit ist und letztlich nur der schnellstmögliche und dauerhafte Haushaltsausgleich die Selbstverwaltung“ der Kommunen sichert (Auszug aus einem Konsolidierungsvertrag). Zur Erreichung des schnellstmöglichen Haushaltsausgleichs wurden den teilnehmenden Kommunen Entschuldungshilfen und Zinsdiensthilfen gewährt. Die Kommunen verpflichteten sich, bis zu einem bestimmten Jahr den Ergebnishaushalt in Plan und Abschluss auszugleichen. Die Kommunen können die vereinbarten Konsolidierungsmaßnahmen nur mit vorheriger Zustimmung des Landes verändern. Halbjährliche Berichtspflichten und Nachweise sind vorzulegen. Bei Pflichtverletzungen kann die Aufsichtsbehörde Maßnahmen nach dem Siebenten Teil der Hessischen Gemeindeordnung ergreifen, die geeignet sind, die Verpflichtungen der Kommune durchzusetzen. Seit 2011 besteht in Hessen zudem wieder eine Genehmigungspflicht für Liquiditätskredite.
6. Liquiditätskredite werden zur Dauerfinanzierung von Haushaltsdefiziten genutzt
In Rheinland-Pfalz fehlen derzeit auf Seiten der Kommunalaufsicht rechtliche Möglichkeiten, um notwendig erachtete Konsolidierungsmaßnahmen wirksam durchsetzen zu können. Weder bedarf die Aufnahme von Liquiditätskrediten einer vorherigen Genehmigung, noch müssen Kommunen mit fünf negativ festgestellten oder veranschlagten Jahresergebnissen Konsolidierungsmaßnahmen durch die Aufsichtsbehörde bestätigen lassen. In solchen Fällen reicht nach dem Haushaltsrecht eine Darstellung von Maßnahmen durch die Kommune, wie die Finanzlage verbessert werden kann (deklaratorische Regelung).
Ferner hat das zuständige Ministerium des Innern die Interpretation der Aufnahme von Krediten zur Liquiditätssicherung unter bestimmten Bedingungen erweitert, die zu einer rechtswidrigen Verwendung führen. So kann nach einer Verwaltungsvorschrift zu § 105 GemO eine längere Laufzeit für Kreditaufnahmen vereinbart werden, „die wegen ständiger unabweisbarer Haushaltsdefizite im Umfang des unvermeidlichen permanenten „Bodensatzes“ zur Sicherstellung der [...] jederzeitig erforderlichen Zahlungsfähigkeit zumindest auf absehbare Zeit benötigt werden.“
Parallel auch zur Umsetzung des Kommunalen Entschuldungsfonds wurden seitens des zuständigen Ministeriums die zulässigen Laufzeiten zur Inanspruchnahme der Liquiditätskredite bei „unabweisbaren Haushaltsdefiziten“ stufenweise ausgedehnt:
- Stufe 1: Für die Zeit ab Mitte 2009 wurde bestimmt, dass die Laufzeit der Liquiditätskredite grundsätzlich nur ein Jahr betragen dürfe. Ausnahmsweise wurde die Laufzeit auf bis zu fünf Jahre verlängert, wenn die Kredite wegen unabweisbarer Haushaltsdefizite zur Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit benötigt werden (Ausnahmefall).
- Stufe 2: Ende 2012 wurde dann für den Ausnahmefall eine befristete Verlängerung der Laufzeit von fünf auf zehn Jahre bis zum Ende des Haushaltsjahres 2014 verfügt.
- Stufe 3: Im Frühjahr 2015 wurde mit Blick auf den Ausnahmefall verkündet, dass, befristet bis Ende 2016, die Vereinbarung einer Laufzeit von Liquiditätskrediten bis maximal zehn Jahre für zulässig erachtet werde.
- Stufe 4: Ende 2016 schließlich wurde ermöglicht, dass längere Laufzeiten zulässig seien für Kredite, die wegen unabweisbarer Haushaltsdefizite zur Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit benötigt werden.
Aktuell gibt es damit keine Befristung auf fünf oder zehn Jahre, sondern nur noch den unbestimmten Begriff der „längeren Laufzeiten“.
Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsmittel der Kommunalaufsicht war und ist es für Kommunen bei Haushaltsdefiziten bislang einfacher, neue Liquiditätskredite aufzunehmen, als umfangreiche und einschränkende Konsolidierungsmaßnahmen zu planen und in den kommunalen Gremien durchzusetzen. In Anbetracht der stark steigenden Sozialkosten wurden zudem viele Haushaltsdefizite mit der pflichtgemäßen Umsetzung der Gesetze und somit „unabweisbaren“ Ausgaben begründet.
Das Land hat mit diesen Regelungen das weitere Anwachsen der kommunalen Verschuldung aus Liquiditätskrediten toleriert und damit auch gebilligt.
7. Rechnungshof empfiehlt die Genehmigungspflicht für Liquiditätskredite
Angesichts dieser Entwicklungen hat der Rechnungshof die Landesregierung mehrfach dazu aufgefordert – zuletzt mit Schreiben vom 27. Juni 2018 an das Ministerium des Innern und für Sport –, den endogenen Gründen der hohen Liquiditätskreditverschuldung entgegenzutreten. Die Aufsichtsbehörden sind im Rahmen des Opportunitätsprinzips (Ermessensentscheidung, ob und mit welchen kommunalaufsichtlichen Maßnahmen reagiert wird) hierzu gefordert. Neben der gebotenen Nutzung von Aufsichtsbefugnissen ist als Mittel zur kommunalaufsichtlichen Bekämpfung des Missbrauchs von Liquiditätskrediten auch die in einigen Ländern bestehende Genehmigungspflicht des in den Haushaltssatzungen festgesetzten Höchstbetrags der Liquiditätskredite in Betracht zu ziehen. Der Rechnungshof hat in den letzten Jahren nicht verkannt, dass die Aufnahme von Liquiditätskrediten vielfach der einzige Weg war, um zeitnah die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen. Er hat aber stets darauf hingewiesen, dass es gelingen muss, die Ursachen für die kommunale Finanzmisere zu beseitigen. Diese sind – wie bereits dargestellt – vielfältig und unterschiedlich. Hierzu gehören sowohl exogene – von den Gemeinden nicht oder nur wenig beeinflussbare – als auch endogene Ursachen, mit denen die Kommunen selbst zu ihrer Finanzlage beigetragen haben (u. a. KB 2013).
Die Gründe, die 1991 zum Wegfall des Genehmigungsvorbehalts führten, treffen jedenfalls heute angesichts der hohen Liquiditätskreditbestände und der Lastenverschiebungen zu den Landkreisen und kreisfreien Städten nicht mehr zu. Das Land Hessen hat 2011 die Genehmigungspflicht des Höchstbetrags der Liquiditätskredite – vor der Umsetzung des kommunalen Schutzschirms – wiedereingeführt. Nach der Begründung sollte damit angesichts des hohen Niveaus kommunaler Liquiditätskredite das Instrumentarium der Aufsichtsbehörden, die Gemeinden bei der Erhaltung und Wiedererlangung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zu unterstützen, um ein wirksames Modul erweitert werden (Hessischer Landtag, Drucksache 18/4031).
Aus Sicht des Rechnungshofs ist daher die erneute Einführung einer Genehmigungspflicht entsprechend den Regelungen anderer Länder geboten, zumal die Kommunen in diesen Ländern geringer mit Liquiditätskrediten belastet sind als die Gemeinden und Gemeindeverbände in Rheinland-Pfalz. Künftig sollte im Unterschied zu den letzten Jahrzehnten entschlossen gegen defizitäre Finanzhaushalte und die daraus folgende Aufnahme neuer Liquiditätskredite vorgegangen werden. Defizitäre Finanzhaushalte sind wegen des Verstoßes gegen § 93 Abs. 4 GemO rechtswidrig. Das dort normierte Ausgleichsgebot stellt – wenn es beachtet wird – zudem eine wirksame „Schuldenbremse“ für Liquiditätskredite dar. Sie hat indessen nicht zuletzt deshalb versagt, weil die Kommunalaufsichtsbehörden aus Opportunitätserwägungen sowie den unter Nr. 6 genannten Bedingungen unausgeglichene Haushalte im Rahmen des Verfahrens nach § 97 Abs. 2 GemO regelmäßig hinnehmen und die daraus unter Verstoß gegen § 105 GemO resultierende Aufnahme langfristiger Liquiditätskredite tolerieren.
Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Erfahrungen der Vergangenheit sollten die Einwirkungsmöglichkeiten der Kommunalaufsichtsbehörden auf die aus unausgeglichenen Haushalten resultierenden Liquiditätskredite gestärkt werden. Neben die dem Opportunitätsprinzip unterliegende Möglichkeit, Rechtsbedenken zu erheben, sollte die Pflicht treten, sich im Rahmen einer Genehmigungsentscheidung mit der Tragbarkeit der Liquiditätskreditermächtigung in der Haushaltssatzung auseinanderzusetzen. Dieses Instrument steht bisher nur bei den Investitionskrediten zur Verfügung. Es sollte daher auf die Liquiditätskredite, deren Entwicklung sich in der Vergangenheit als weitaus problematischer erwiesen hat, erstreckt werden.
Nachfolgend sind die Regelungen mit einem Genehmigungsvorbehalt in sieben der 13 Flächenländer aufgezeigt. Sechs Länder sehen eine Genehmigung des Höchstbetrags der Liquiditätskredite vor, sofern der Betrag einen bestimmten Anteil am Haushalt übersteigt, während in Hessen der Höchstbetrag generell genehmigungspflichtig ist:
Land | Rechtsgrundlage | Genehmigungsvorbehalt |
---|---|---|
BW | § 89 Abs. 3 GemO BW | Höchstbetrag der Liquiditätskredite größer als ein Fünftel der ordentlichen Aufwendungen |
HE | § 105 Abs. 2 HGO | Genehmigung des in der Haushaltssatzung festgesetzten Höchstbetrags |
MV | § 53 Abs. 3 KV M-V | Höchstbetrag der Liquiditätskredite größer als 10 % der laufenden Einzahlungen aus Verwaltungstätigkeit |
NI | § 122 Abs. 2 NKomVG | Höchstbetrag der Liquiditätskredite größer als ein Sechstel der Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit |
SN | § 84 Abs. 3 SächsGemO | Höchstbetrag der Liquiditätskredite größer als ein Fünftel der Auszahlungen für laufende Verwaltungstätigkeit |
ST | § 110 Abs. 2 KVG LSA | Höchstbetrag der Liquiditätskredite größer als ein Fünftel der Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit |
TH | § 65 Abs. 2 Thür-KO, § 16 Abs. 2 ThürKDG | Höchstbetrag größer als ein Sechstel der Einnahmen des Verwaltungshaushalts oder größer als ein Sechstel der laufenden Einzahlungen aus Verwaltungstätigkeit |
8. Die aktuelle Haushaltsentwicklung der Kommunen und das LFAG 2018
Stark steigende Steuereinnahmen, Verbesserungen im kommunalen Finanzausgleich und die Einführung der Schlüsselzuweisungen C zur Unterstützung der Sozialkosten, der Kommunale Entschuldungsfonds und Eigenanstrengungen der Kommunen haben in jüngerer Zeit zu einer Verbesserung der kommunalen Finanzlage beigetragen.
Durch die bessere Haushaltsentwicklung der letzten Jahre konnten viele kreisfreie Städte und Landkreise ihre Defizite reduzieren. Im Jahr 2012 verzeichneten 31 (86 %) von 36 Gebietskörperschaften noch Finanzierungsdefizite, 2017 waren es noch elf (31 %). Bei den kreisangehörigen Gemeinden reduzierte sich die Zahl von 1.149 (47 %) auf 733 (30 %) Kommunen.
Die 2017 erwirtschafteten Finanzierungsüberschüsse von 431 Mio. € stellen jedoch noch ein in der Langfristbetrachtung singuläres Ergebnis dar. Dabei darf nicht übersehen werden, dass immer noch fast ein Drittel der Gemeinden und Gemeindeverbände zuletzt den Ausgleich der Kasse verfehlte.
Liquiditätsüberschüsse geben des Weiteren noch keine Auskunft darüber, ob neben dem Finanzhaushalt auch der Ergebnishaushalt ausgeglichen werden kann, in dem insbesondere Abschreibungen und Rückstellungen erwirtschaftet werden müssen. Zumindest nach der aktuellen Haushaltsplanung für 2018 verfehlt die Mehrzahl der Kommunen insoweit den Ausgleich für den Ergebnishaushalt.
Der hohe Kassenüberschuss berücksichtigt auch nicht den Finanzbedarf für die vielfach dringend gebotene Ausweitung der Investitions- und Unterhaltungstätigkeit in der kommunalen Infrastruktur sowie für die Tilgungen von Liquiditäts- und Investitionsschulden. Dies relativiert den 2017 erzielten Überschuss beträchtlich.
Am Beispiel der kreisfreien Stadt Pirmasens wird die Hypothek der aufgelaufenen Liquiditätskredite deutlich. Die Stadt müsste zur Rückführung dieser Schulden über 30 Jahre einen jährlichen Kapitaldienst von rd. 14,3 Mio. € (Annahme: 1,5 % Zinsen, 2,7 % Tilgung) bedienen, der im Finanzierungsdefizit des Jahres 2017 noch nicht enthalten ist. Für weitere Kommunen sind die rechnerischen Kapitaldienste im Rahmen von ergänzenden Informationen zum Kommunalbericht 2018 auf den Internetseiten des Rechnungshofs dargestellt. Die Herausforderungen zur Bewältigung der Altschulden werden hierdurch für eine Vielzahl von Kommunen deutlich.
Die Landesregierung beabsichtigt, die kommunalen Finanzen und den Abbau von Altschulden durch weitere Maßnahmen zu unterstützen. Das Landesfinanzausgleichgesetz 2018 (LFAG) sieht u. a. neben der Einführung der Schlüsselzuweisung C 3 (+ 60 Mio. € zusätzliche Mittel für die Verbundmasse 2019) einen Zinssicherungsschirm und einen Stabilisierungs- und Abbaubonus vor. Durch den Zinssicherungsschirm sollen 94, durch den Stabilisierungs- und Abbaubonus 44 Kommunen profitieren. Der Rechnungshof hat angemerkt, dass dies nicht hinreichend ist, da deutlich mehr Kommunen von besonders hohen Schulden betroffen sind und ein kontrollierter Abbau der Schulden mit Liquiditätskrediten erforderlich ist. Dabei wären auch Ortsgemeinden zu berücksichtigen.
In einem Sonderbeitrag hat der Rechnungshof die Wirkung der Schlüsselzuweisungen seit 2013 untersucht, auf den an dieser Stelle ergänzend verwiesen wird (Kommunaler Finanzausgleich Rheinland-Pfalz, ergänzende Bemerkungen zur kommunalen Finanzlage und zur Entwicklung der Schlüsselzuweisungen). Bis 2013 wurden danach 85 % der Schlüsselzuweisungen finanzkraftabhängig zugeteilt, 2018 (nach Einführung der Schlüsselzuweisungen C 3) sind es nur noch 67 %. Diese Verteilung geht dabei zulasten der finanzschwächeren Kommunen. Während die strukturstarke Stadt Ludwigshafen am Rhein noch 18 %, Koblenz 19 % und Mainz 22 % der ungedeckten Sozialkosten aus Steuern finanzieren müssen, hat Pirmasens mit 31% die höchsten Lasten zu tragen. Bei den Landkreisen liegen die verbleibenden, aus der Kreisumlage zu finanzierenden Soziallasten zwischen 39 % für den strukturstarken Landkreis Mainz-Bingen und 86 % für den strukturschwachen Landkreis Kusel.
Der Rechnungshof empfiehlt daher, zur Stärkung der strukturschwächeren Kommunen die Finanzkraft bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen C zu prüfen und nach Möglichkeit zu berücksichtigen.
Ferner hat die Analyse der Schlüsselzuweisungen unter Berücksichtigung der Neuregelung für 2018 ergeben, dass für den Zeitraum von 2013 bis 2018 insbesondere die kreisfreien Städte und Landkreise vom Aufwuchs der Schlüsselzuweisungen profitiert haben (Klammerangaben: ohne Rechtsänderung des LFAG 2018):
- Kreisfreie Städte + 134 % (+ 103%),
- Landkreise + 76 % (+ 93 %),
- Verbandsfreie Gemeinden + 69 % (+ 75 %),
- Verbandsgemeinden + 42 % (+ 57 %),
- Ortsgemeinden +10 % (- 10 %).
Die Ortsgemeinden verzeichneten zwischen 2013 und 2017 in der Gesamtbetrachtung zwar einen positiven Finanzierungssaldo von 61 Mio. €, dieser setzt sich aber aus 1.039 Mio. € Finanzierungsdefiziten und 1.100 Mio. € Überschüssen zusammen. Damit verbuchten die Ortsgemeinden in Summe die höchsten Defizite aller Gebietskörperschaften. Das verdeutlicht nochmals die Notwendigkeit, sich hinsichtlich der Konsolidierung der Finanzen mit den individuellen Problemen der Verschuldung einzelner Kommunen zu befassen.
9. Empfehlungen zur Konsolidierung und Entschuldung der kommunalen Haushalte
Die kommunalen Spitzenverbände haben aufgrund der langjährigen Haushaltsdefizite pauschal zusätzliche Finanzmittel im Umfang von 300 Mio. € jährlich sowie ein Programm zum Abbau der Altschulden mit Liquiditätskrediten gefordert. Die Landesregierung hat ihrerseits auf die Maßnahmen zur Novellierung des LFAG, den Wegfall der Gewerbesteuerumlage ab 2020 und die gute Steuerentwicklung hingewiesen. Unter Berücksichtigung weiterer Eigenanstrengungen der Kommunen wären hiermit ausreichend Finanzmittel zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte verfügbar.
Der Rechnungshof hat in einem dem Landtag vorliegenden Schreiben (Vorlage 17/3552) zu den Erörterungen zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung die Notwendigkeit einer konkreten Konsolidierung der von der Verschuldung betroffenen Kommunen und eines kontrollierten Schuldenabbaus deutlich gemacht. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen sind vor allem stringentere kommunalaufsichtliche Regelungen und die Sicherstellung einer einheitlichen Umsetzung erforderlich.
Wenn das Land die Kommunen mit ausreichenden Finanzmitteln ausgestattet hat, obliegt es nun der Landesregierung und der Kommunalaufsicht, in einer engen Zusammenarbeit mit den Kommunen auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben der Gemeindeordnung hinzuwirken und die Verpflichtung zum Haushaltsausgleich wieder zum Maßstab der Entscheidungen zu machen. Der ordnungsgemäße Vollzug von Gesetzen durch die Kommunen sollte nicht mehr durch rechtswidrige Nutzung von Liquiditätskrediten finanziert werden können.
In Hessen konnte in den Jahren 2013 bis 2017 die Zahl der Kommunen mit einem ausgeglichenen Haushalt von 29 % auf 94 % deutlich verbessert werden. „Neben einem guten konjunkturellen Umfeld ist die Verbesserung vor allem auf finanzaufsichtliche Maßnahmen zurückzuführen, die auf der Ebene von Erlassen eine stringentere Befolgung der gesetzlichen Regelungen forderten“ (Drucksache 19/5957 Hessischer Landtag). Um dies zu verstetigen, im Interesse einer nachhaltigen und generationengerechten Haushaltspolitik, wurden im Gesetz der Hessenkasse die „genehmigungspflichtigen Teile der Haushaltssatzung auf den Ausgleich des Ergebnis- und Finanzhaushaltes sowie das Haushaltssicherungskonzept ausgeweitet und ergänzen die bisherigen Genehmigungstatbestände.“ Der Rechnungshof empfiehlt, insbesondere das Haushaltssicherungskonzept für Rheinland-Pfalz zu prüfen. Bei Verfehlung des Haushaltsausgleichs ist von der jeweiligen Kommune ein Haushaltssicherungskonzept mit verbindlichen Konsolidierungsmaßnahmen aufzustellen, das jährlich in den Gemeindegremien zu beschließen und von der Kommunalaufsicht zu genehmigen ist. Dieses ermöglicht, mit den Kommunen auf die individuellen Ursachen der Verschuldung einzugehen, die Konsolidierungspotenziale bei Einnahmen und Ausgaben zu erschließen und evtl. Erfordernisse zum Ausgleich der Haushalte festzustellen.
Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen empfiehlt der Rechnungshof mit Verabschiedung des Landesfinanzausgleichgesetzes 2018 folgende ergänzende Maßnahmen zur Konsolidierung der kommunalen Finanzen:
- Die Verwaltungsvorschrift zu § 105 GemO zur unbefristeten Aufnahme von Liquiditätskrediten bei unabweisbaren Haushaltsdefiziten sollte für die Zukunft (vgl. Nr. 6) zurückgenommen werden.
- Die Genehmigungspflicht für Liquiditätskredite sollte wiedereingeführt werden, um die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben der Gemeindeordnung sicherzustellen.
- Ein Haushaltssicherungskonzept nach dem „hessischen Modell“ wird empfohlen, damit die Kommunalaufsicht mit den betroffenen Kommunen auf eine Sicherstellung des gesetzlich erforderlichen Haushaltsausgleichs effektiv hinwirken kann.
- Sofern der Haushaltsausgleich besonders betroffener Kommunen durch eigene Konsolidierungsbemühungen nicht erfolgen kann, sollte das Land befristet Sonderhilfen mit weiteren Sanierungsauflagen und Zielsetzungen in Betracht ziehen.
- Die staatliche Kommunalaufsicht sollte gestärkt und durch regelmäßige Abstimmungen eine einheitliche Praxis aller Aufsichtsbehörden sichergestellt werden.
Der Rechnungshof plädiert des Weiteren für ein kontrolliertes Entschuldungsprogramm für Liquiditätskredite und erneuert seinen Vorschlag, dass ein solches Programm von Landesregierung und kommunalen Spitzenverbänden geprüft werden sollte. In der Gesetzesbegründung zur Hessenkasse wird ausgeführt: „Eine geordnete Rückführung der Kassenkredite innerhalb eines Zeitraums von längstens 30 Jahren erscheint angezeigt und – nicht zuletzt aufgrund des derzeit günstigen Zinsniveaus und der anhaltend guten konjunkturellen Lage – möglich.“