"Ein erfolgreiches Prozessmanagement bedarf zuerst der Bereitschaft, sich von bekannten Denk- und Arbeitsweisen zu lösen: weg von der Fokussierung auf Abteilungen und Budgethoheiten hin zu Geschäftsprozessen und Wertschöpfungsketten innerhalb der Behörde."

Jörg Berres, Präsident des Rechnungshofs Rheinland-Pfalz

Dieses Interview wurde im November 2022 für den Newsletter des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung im Projekt DIALOG zur Einführung der E-Akte in der rheinland-pfälzischen Landesverwaltung geführt.

 

4 Fragen an Jörg Berres zum Thema Prozessmanagement

 

Die Pflicht zur Prozessdigitalisierung und -optimierung ergibt sich bereits aus dem EGovGRP. Ungeachtet dieser gesetzlichen Umsetzungspflicht, welche Vorteile bietet die Prozessoptimierung den Dienststellen, die die E-Akte eingeführt haben, aus Ihrer Sicht?

Berres: Ziel der Prozessoptimierung ist es grundsätzlich, die Abläufe in den Dienststellen zu vereinfachen und effizienter zu gestalten. Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil sich aufgrund des demografischen Wandels die Gewinnung und Bindung von Nachwuchs-, Fach- und Führungskräften zunehmend schwierig gestaltet. Werden nicht alle Optimierungspotenziale genutzt, besteht die Gefahr, dass die Landesverwaltung ihre Aufgaben mittel- und langfristig nicht mehr in vollem Umfang erledigen kann.

Die E-Akte bietet die Möglichkeit, Standardprozesse in der Verwaltung effizienter auszugestalten. Der benötigte Arbeitsaufwand kann minimiert, Durchlaufzeiten beschleunigt und Transparenz über den Geschäftsgang sowie den Stand der Bearbeitung hergestellt werden. Viele Arbeiten können mit der E-Akte auch außerhalb der Dienststelle verrichtet werden, was zur Arbeitsflexibilisierung entscheidend beiträgt. Die Einbindung von Fachverfahren in die E-Akte eröffnet zudem die Möglichkeit, die Vorteile der weiteren Digitalisierung von Abläufen noch breiter zu nutzen.

Durch diese Optimierungsmöglichkeiten leistet die E-Akte einen wichtigen Beitrag, die Behörden des Landes zukunftsfest zu machen.

Prozessmanagement und -optimierung werden oft aus der Sicht der Organisation heraus bewertet. Sehen Sie in der Einführung eines Prozessmanagements in einer Organisation und der damit einhergehenden Optimierung von Verwaltungsabläufen auch Vorteile für die Mitarbeitenden?

Ja, da sehe ich durchaus Vorteile. Um diese zur Entfaltung zu bringen, ist es aber wichtig, die Bediensteten aktiv in die Analyse der Geschäftsprozesse einzubinden. Als Wissensträger in ihren Fachgebieten kennen sie die an ihrem Arbeitsplatz anfallenden Aufgaben und Prozesse mit ihren Stärken und Schwächen am besten. Sie können dadurch wertvolle Impulse und Anregungen für Optimierungen geben. Letztlich profitieren sie auch davon, wenn Aufgaben einfacher oder schneller und standardisierter durchgeführt werden. Dies entlastet zudem bestehende Arbeitsplätze bei erfahrungsgemäß weiter zunehmenden Aufgaben und gleichzeitigem Fachkräftemangel.

Welche Voraussetzungen müssen aus Ihrer Sicht gegeben sein, um Prozessmanagement in einer Behörde erfolgreich zu implementieren?

Hierfür bedarf es zuerst der Bereitschaft, sich von bekannten Denk- und Arbeitsweisen zu lösen: weg von der Fokussierung auf Abteilungen und Budgethoheiten hin zu Geschäftsprozessen und Wertschöpfungsketten innerhalb der Behörde. Dies setzt die Unterstützung durch die Hausspitze und die Führungskräfte voraus. Sie müssen diese Neuausrichtung tatkräftig unterstützen und vorantreiben. Eine kritische Bestandsaufnahme der besonders arbeits- und zeitintensiven Arbeitsprozesse und ihrer Schnittstellen im Haus könnte der Anfang sein, um Optimierungspotenziale selbst zu erkennen oder diese mit der Unterstützung Dritter herauszuarbeiten. Entsprechendes Fachwissen in einer größeren Behörde aufzubauen und durch die Schulung interessierter und geeigneter Bediensteter zu pflegen, ist hierbei besonders wichtig. Bedenken sollte man ferner, dass solche Optimierungsprozesse von der Analyse über die zu erarbeitenden Lösungs- und Umsetzungskonzepte Jahre benötigen. Dabei ist eine klare und transparente Kommunikation innerhalb der Dienststellen erforderlich. Dies trägt maßgeblich zur Akzeptanz der Optimierungsprozesse innerhalb der Belegschaft bei. Leider muss man allerdings auch feststellen, dass wir beim Thema Prozessmanagement angesichts des demografischen Wandels in vielen Verwaltungen im Verzug sind, was unsere Prüfungen auch aufzeigen.

Der Rechnungshof hat die landeseinheitliche E-Akte im Projekt DIALOG bereits eingeführt. An welchen Stellen wurde ihre Behörde durch eine Optimierung zentraler Prozesse noch leistungsfähiger - und woran machen Sie das fest?

Der Rechnungshof profitiert von der Einführung der E-Akte gleich mehrfach. Zum einen wirken sich die Vorteile der elektronischen Vorgangsbearbeitung positiv aus, indem der Geschäftsgang und die Verwaltungsprozesse standardisiert und elektronisch abgebildet wurden. Positive Effekte haben sich schon kurz nach der Produktivsetzung der E-Akte gezeigt: Mitzeichnungsprozesse werden teilweise parallel erledigt und damit die Laufzeiten von Akten deutlich verkürzt. Beim Arbeiten im Homeoffice gibt es weniger Effizienzverluste, da alle aktenrelevanten Daten jederzeit elektronisch zur Verfügung stehen. Ferner werden durch die zentral bereitgestellten Musterverfügungen Zuständigkeiten und Abläufe eindeutig geregelt. Für den Rechnungshof sind zudem die Erleichterungen im Prüfungsgeschäft von Bedeutung. Die E-Akte ermöglicht es, ortsunabhängig auf die Akten der geprüften Stelle zu Prüfungszwecken zuzugreifen. Dies verringert Außendienste und damit die Belastung der geprüften Stellen und unserer Prüfkräfte. Die Durchführung der Prüfungen wird hierdurch beschleunigt.