Kommunalbericht 2011 - Wesentliche Prüfungsergebnisse
Nr. 1 Haushaltslage der Gemeinden und Gemeindeverbände
- Weiterhin hohe Haushaltsdefizite und ungebremster Schuldenanstieg -
Die Defizite und Schulden der rheinland-pfälzischen Kommunen steigen weiter ungebremst:
Bereits im 21. Jahr in Folge blieben 2010 die Einnahmen hinter den Ausgaben zurück. Trotz vergleichsweise hoher Einnahmenzuwächse fehlten in den Kassen insgesamt 0,7 Mrd. €, das dritthöchste Finanzierungsdefizit seit 1990.
Die Ausgabensteigerung übertraf im Jahr 2010 mit 6,0 % den Zuwachs der westlichen Flächenländer von 2,6 %.
Die Belastung aus Krediten zur Liquiditätssicherung wird immer drückender. Sie erreichten 2010 mit 5,4 Mrd. € gegenüber 4,6 Mrd. € im Jahr zuvor einen neuen Höchststand. Erstmals übertrafen sie die Kredite für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen (5,1 Mrd. €).
Die Pro-Kopf-Verschuldung aus Krediten für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen sowie aus Krediten zur Liquiditätssicherung lag um 52 % über dem Durchschnitt der westlichen Flächenländer. Werden nur die Liquiditätskredite betrachtet, wurde der Vergleichswert im Jahr 2010 sogar um 122 % überschritten.
Bei insgesamt unterdurchschnittlichen Realsteuerhebesätzen lagen die Pro- Kopf-Einnahmen der rheinland-pfälzischen Gemeinden und Gemeindeverbände aus Realsteuern um 25 % unter dem Durchschnitt der westlichen Flächenländer.
Größte Ausgabenpositionen in den Kommunalhaushalten sind nach wie vor die Personal- und Sozialausgaben. Im Jahr 2010 beanspruchten sie 44 % der Gesamteinnahmen. Im Fünf-Jahres-Vergleich stiegen die Ausgaben für Sozial- und Jugendhilfe um 41 %. Der Zuwachs war fast doppelt so hoch wie derjenige der Gesamtausgaben.
Im Rahmen der Bemühungen zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte
hat der Bund angekündigt, die Leistungsausgaben der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vollständig zu übernehmen und
will das Land durch den Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz maßgeblich zur Tilgung der Kredite zur Liquiditätssicherung beitragen.
Gleichzeitig können die Kommunen nach der aktuellen Steuerschätzung vom Mai 2011 konjunkturbedingt bis 2015 jährlich zwischen 154 Mio. € und 230 Mio. € höhere Steuereinnahmen erwarten.
Allerdings reichen selbst die erwarteten Steuermehreinnahmen sowie die Auswirkungen der vorgesehenen Maßnahmen des Bundes und des Landes nicht aus, die kommunalen Finanzen nachhaltig zu sanieren. Erforderlich sind darüber hinaus bedeutende Eigenanstrengungen der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie die im Koalitionsvertrag angekündigte Weiterentwicklung der Kommunal- und Verwaltungsreform über den Bereich der Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden hinaus.
Nr. 2 Kommunale Doppik
- Nutzen noch nicht feststellbar -
Die Mehrheit der Gemeinden und Gemeindeverbände hat ihr Rechnungswesen erst 2009 auf die Doppik umgestellt. Die organisatorische und technische Komplexität der Umstellung sowie der hierfür erforderliche Zeitbedarf wurden erheblich unterschätzt.
Die gesetzlichen Fristen für die Feststellung von Eröffnungsbilanzen und Jahresabschlüssen wurden im Regelfall deutlich überschritten.
Eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende, örtliche Prüfung von Eröffnungsbilanzen und Jahresabschlüssen durch Rechnungsprüfungsausschüsse findet weitgehend nicht statt.
Mit der Umstellung des Rechnungswesens, die landesweit einen Einführungsaufwand von hochgerechnet mindestens 140 Mio. € verursacht hat und einen zusätzlichen Personalaufwand von überschlägig 14 Mio. € im Jahr erfordert, sind bisher keine geldwerten Steuerungsvorteile verbunden. Ein positiver Einfluss auf die Entwicklung der kommunalen Haushalte ist noch nicht erkennbar.
Durch die Umsetzung des Haushaltsrechts werden die Haushaltspläne im Vergleich zur Kameralistik vielfach deutlich umfangreicher. Dadurch sind Transparenz und Steuerungsnutzen der Pläne empfindlich beeinträchtigt.
Die Mehrzahl der Gemeinden und Gemeindeverbände hat die doppischen Steuerungsinstrumente (Ziele, Leistungsmengen, Kennzahlen, Kosten- und Leistungsrechnung sowie Berichtswesen) noch nicht eingeführt. Soweit sie zum Einsatz kommen, ist ihre Ausgestaltung für eine Steuerung weitgehend ungeeignet.
Im Rahmen einer Ende 2010 im Auftrag des Rechnungshofs durchgeführten Befragung kommunaler Entscheidungsträger durch das Institut für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation in Speyer schätzten fast 48 % der Befragten den Nutzen der Doppik als "sehr gering" und "eher gering" ein. Auf die Bewertungen "eher hoch" und "sehr hoch" entfielen knapp 30 % der Antworten.
Die Zahl der in den Haushaltsplänen ausgewiesenen Produkte und Leistungen sowie Kennzahlen sollte deutlich reduziert werden, da zu detaillierte Informationen für eine Gesamtsteuerung nicht hilfreich sind. Darüber hinaus ist eine Vereinheitlichung innerhalb der Gebietskörperschaftsgruppen angebracht, um einen interkommunalen Vergleich der Daten überhaupt zu ermöglichen.
Die mit der Reform verbundenen Ziele wurden noch nicht erreicht. Damit das mit hohem Aufwand eingeführte neue Rechnungswesen den Informationsstand über die Finanzlage der Kommunen verbessern kann, bedarf es noch erheblicher Anstrengungen. Es wird sich zudem nur dann durch eine finanzielle "Rendite" zugunsten der kommunalen Familie legitimieren, wenn die erweiterten Informationen auch auf das Interesse der zuständigen Entscheidungsträger stoßen und von ihnen konsequent im Sinne wirtschaftlicheren Handelns genutzt werden.
Nr. 3 Erzieherische Hilfen
- Kommunale Pflichtaufgabe mit Einsparpotenzial -
Der finanzielle Aufwand für erzieherische Hilfen erreichte in Rheinland-Pfalz mit 364 Mio. € im Jahr 2009 den bisher höchsten Stand. Ausgaben und Fallzahlen lagen über dem Bundesdurchschnitt.
Erzieherische Hilfen werden weit überwiegend von Leistungsanbietern der freien Jugendhilfe erbracht. Schlecht verhandelte Entgeltvereinbarungen, unzureichende Kontrolle der Leistungserbringung und mangelhafte Prüfung der Abrechnungen verursachten vermeidbare Aufwendungen der Jugendämter, die sich in Einzelfällen auf mehr als 200.000 € beliefen.
Bei ambulanten Hilfen wurden Möglichkeiten der Aufwandminderung durch Einsatz von Honorarkräften kaum genutzt.
Die Hilfeplanung für längerfristige Hilfen wies erhebliche Mängel auf. Kostenerwägungen spielten regelmäßig keine Rolle. Überlange Planungsintervalle führten zu einer überdurchschnittlichen Hilfedauer und infolge dessen zu erhöhten Aufwendungen. Alternativen zur Heimunterbringung, der mit Abstand kostenintensivsten Hilfeart, wurden im Rahmen der Hilfeplanung teilweise unzureichend berücksichtigt.
Der wirtschaftlichen Jugendhilfe fehlten bei der Verwaltungssachbearbeitung vielfach die erforderlichen Informationen, um Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen und die Zuständigkeit festzustellen. Soweit sie vorhanden waren, wurden sie nicht immer genutzt. Das führte dazu, dass vorrangige Leistungen und Kostenerstattungsansprüche gegen andere Jugendhilfeträger nicht oder nur unzureichend geltend gemacht sowie Leistungen ohne Zuständigkeit erbracht wurden. Erhebliche Schäden, in einem Fall rund 1 Mio. €, waren die Folge.
Kostenbeiträge der Eltern und jungen Menschen zu erzieherischen Hilfen wurden in zu geringer Höhe festgesetzt und zu selten überprüft.
Nr. 4 Erschließungsbeiträge
- Einnahmemöglichkeiten werden noch nicht ausgeschöpft -
Die unvollständige oder verzögerte Erhebung von Erschließungsbeiträgen führte bei den Gemeinden teilweise zu erheblichen Einnahmeausfällen.
Fehlende oder unklare Satzungsregelungen hindern gegebenenfalls die Beitragserhebung.
Bei der Planung und Ausgestaltung von Erschließungsanlagen wurden die Voraussetzungen für die Beitragsfähigkeit unzureichend berücksichtigt.
Gemeinden nutzten die Möglichkeit, den Erschließungsaufwand durch Vorausleistungen vorzufinanzieren, nicht im gebotenen Umfang.
Ein Teil der Erschließungskosten wurde nicht in den beitragsfähigen Aufwand einbezogen.
Erschließungsanlagen wurden verzögert gewidmet und Erschließungsbeiträge verspätet erhoben. Zinsnachteile waren die Folge.
Kommunen stundeten Beiträge zinslos oder schlugen sie nieder, ohne dass die rechtlichen Voraussetzungen vorlagen. Bei Niederschlagungen unterblieben Vorkehrungen gegen den Eintritt der Zahlungsverjährung.
Nr. 5 Vollstreckung von Geldforderungen
- Kommunales Forderungsmanagement häufig noch verbesserungsbedürftig -
Veränderte Rahmenbedingungen für die Vollstreckung, zum Beispiel erschwerte Sachpfändungen infolge von Eigentumsvorbehalten bei Ratenkauf und Leasing, rechtfertigen es, Vollstreckungsaufgaben verstärkt auf Innendienstkräfte (Vollstreckungsbehörde) zu verlagern.
Bei vielen Kommunen fehlten Datengrundlagen, um den Personalbedarf für Vollstreckungsaufgaben zu bestimmen.
Soweit Kommunen Vollstreckungsaufträge forderungsbezogen erteilen, kann für die Ermittlung des Personalbedarfs ein Anhaltswert von 1.140 jährlich zu erledigenden Vollstreckungsaufträgen je Vollzeitkraft angesetzt werden.
Insbesondere kleinere Kommunen sollten durch interkommunale Zusammenarbeit eine wirtschaftliche Vollstreckung sicherstellen.
Die Effektivität der Vollstreckung lässt sich erhöhen, wenn die Datenpflege optimiert wird und die Ermittlungsmöglichkeiten genutzt werden.
Der Aufwand für die Vollstreckung kann verringert werden, wenn die Vollstreckung zuvor angekündigt wird.
Sachpfändungsversuche der Vollstreckungsbeamten sind heute selten erfolgreich. Sie sollten grundsätzlich auf Fälle beschränkt werden, in denen die Vollstreckungsbehörde ihre Möglichkeiten erfolglos ausgeschöpft hat.
Angesichts regelmäßig niedriger Zuteilungsquoten sollten kommunale Forderungen nur dann in Insolvenzverfahren angemeldet werden, wenn geeignete Wertgrenzen bei der Forderungshöhe überschritten werden.
Die Kommunen vollstreckten in erheblichem Umfang Forderungen Dritter. Soweit hierfür Kosten erstattet wurden, war dies bei weitem nicht kostendeckend. Insbesondere die von den Rundfunkanstalten, den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern gezahlten Beträge beliefen sich im Durchschnitt nur auf etwa die Hälfte des zur Kostendeckung erforderlichen Betrags.
Zumindest bei der Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen kann der Einsatz von Inkasso-Unternehmen keinen nennenswerten Beitrag zur Steigerung der Effektivität leisten. Diesbezügliche Erwägungen hatten bei den geprüften Kommunen noch nicht zur Erteilung von Aufträgen geführt.
Nr. 6 Wirtschaftlichkeit von Laboratorien kommunaler Krankenhäuser
- Benchmarking zeigt Optimierungspotenziale -
Kommunalen Krankenhäusern fehlten in der Regel Erkenntnisse, um die Wirtschaftlichkeit ihrer Labore beurteilen zu können.
Eine vergleichende Prüfung des Rechnungshofs zur Produktivität der Labore und zur Anforderung von Laborleistungen durch Fachbereiche der Krankenhäuser ergab in beiden Bereichen Hinweise auf rechnerische Einsparpotenziale von mehreren hunderttausend Euro.
Soweit die Prüfungsergebnisse von den Krankenhäusern bereits zum Anlass für vertiefte eigene Untersuchungen genommen wurden, konnten Einsparungen beim Laborbetrieb erzielt werden.