Warum auf der Zellertalbahn kein Zug fährt: Offene Fragen rund um ein Projekt mit einigen Risiken

Der Rechnungshof hat den Auftrag, Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung auf Risiken für die öffentlichen Haushalte hinzuweisen. Bei Projekten, die mit Leidenschaft verfolgt werden, macht sich der Mahner selten beliebt. Anlässlich der jüngsten Presseberichterstattung zur Zellertalbahn plädiert der Rechnungshof dafür, die Fakten zu sortieren und offene Fragen seriös zu klären.

Der Rechnungshof hat als oberste Finanzkontrolle geprüft, ob der vom Donnersbergkreis gestellte Förderantrag zur geplanten Reaktivierung der Zellertalbahn für saisonalen Ausflugs- und Schienengüterverkehr mit Gesamtkosten von mehr als 8 Mio. € entscheidungsreif war. Diese Aufgabe nimmt er aufgrund seines verfassungsmäßigen Auftrags zur Sicherstellung eines rechtmäßigen und wirtschaftlichen Umgangs mit Steuermitteln wahr.

Dass seit 2017 kein Zug auf der Schienenstrecke verkehrt, ist nicht das Verschulden des Rechnungshofs, sondern Ergebnis der Stilllegung aufgrund erheblicher baulicher Mängel. Die Antragsunterlagen des Donnersbergkreises, mit denen für das Projekt Zuwendungen in Höhe von 6,7 Mio. € beantragt wurden, datieren von Januar 2019 und waren an die Bewilligungsbehörde gerichtet. Der Rechnungshof hat deren Prüfung ab April 2019 aufgenommen und das zuständige Ministerium für Verkehr sowie den Kreis bereits nach sieben Monaten über seine Feststellungen und Bewertungen schriftlich informiert. Hiermit wurden diese zeitnah auf die vielfältigen technischen und wirtschaftlichen Risiken hingewiesen, die die dauernde Leistungsfähigkeit des hochverschuldeten Donnersbergkreises weiter gefährden würden. Weitergehende Nutzungsüberlegungen, wie eine Reaktivierung der Zellertalbahn für den regelmäßigen Schienenpersonennahverkehr (Rheinland-Pfalz-Takt), hatten sich bereits zuvor als unwirtschaftlich erwiesen und waren daher auch nicht Inhalt des Förderantrags und der vom Kreis vorgelegten Planung.

Zu den vom Rechnungshof festgestellten Risiken der gegenwärtigen Reaktivierungsplanung für saisonalen Ausflugs- und Schienengüterverkehr zählen unter anderem:

  • die bis heute nicht nachgewiesene Tragfähigkeit der Schienenstrecke für den Güterverkehr nach der Klasse D4 und mögliche Schallschutzmaßnahmen, die mit erheblichen, bisher nicht berücksichtigten Kosten verbunden wären;
  • der Entwurf eines Pachtvertrages mit der DB Netz AG, der hinsichtlich des Pachtzinses überhöht ist und keinen Investitionsschutz für den Kreis und die Fördergelder sicherstellt;
  • die entgegen anderslautenden Äußerungen nach wie vor offene Frage, ob die Verwendung von Regionalisierungsmitteln für den Ausflugsverkehr zulässig ist;
  • Mittelansätze für die Prüf- und Instandhaltungsorganisation der Strecke in Höhe von 35.000 € jährlich, die hinsichtlich ihrer Auskömmlichkeit fraglich sind, sowie
  • die nach eigenen Berechnungen des Donnersbergkreises im günstigsten Fall 36.000 € jährlich betragenden Betriebskostendefizite.

Unabhängig davon hat der Rechnungshof auch die Aspekte und Ziele des Klimaschutzes bei seiner Prüfung eingehend berücksichtigt. So hat er z. B. die besonderen Klimaschutzvorteile einer Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene in seiner Bewertung gewürdigt. Für den Ausflugsverkehr und die Mobilität im ländlichen Raum hat er darüber hinaus eine wirtschaftlichere, umweltfreundlichere und barrierefreie Alternative zur Zellertalbahn mit Ausflugsbus, ggf. CO2-freier Antriebstechnologie und Fahrradanhänger (für rund 20 Fahrräder) entworfen und vorgeschlagen (siehe Jahresbericht 2020, Seite 130 ff.).

Das im Ergebnis mit einem hohen Kostenrisiko verbundene Reaktivierungsprojekt stößt im Vorbericht zum Haushaltsplan des Landkreises 2020 auf einen ausgewiesenen Investitionsstau in Schulen und Kreisstraßen in Höhe von 50 Mio. €. Gleichzeitig kann der bilanziell überschuldete Landkreis weder im Ergebnis- noch im Finanzhaushalt den gesetzlich geforderten Haushaltsausgleich herbeiführen. Nach der Haushaltsplanung 2020 soll das negative Eigenkapital aufgrund von Jahresfehlbeträgen von 48 Mio. € (2018) auf 81 Mio. € (Ende 2023) ansteigen. Darüber hinaus erwartet der Landkreis in den Jahren 2020 bis 2023 negative freie Finanzspitzen von insgesamt 26,9 Mio. €. Das Defizit müsste rechtswidrig über weitere Liquiditätskredite finanziert werden. Das zuständige Ministerium des Innern hatte bereits im Haushaltsjahr 2015 gegenüber dem Landtag im Hinblick auf die Genehmigung von Investitionskrediten zugesagt, dass die Kommunen für eine auskömmliche Finanzierung der Investitionsvorhaben zu sorgen haben. Dies sei gegeben, wenn durch die Finanzierung langfristig keine neuen Liquiditätskredite verursacht würden.

Der Rechnungshof hat dem Landtag und der Landesregierung daher empfohlen, die offenen Fragen zu klären und im Falle einer Förderung darauf hinzuwirken, dass der Donnersbergkreis seine Einnahme-möglichkeiten ausschöpft und die Möglichkeiten zur Vermeidung von Ausgaben nutzt, um die aus dem Vorhaben resultierenden laufenden Ausgaben ohne neue Liquiditätskredite finanzieren zu können (vgl. Vorlage 17/6755 des Landtags Rheinland-Pfalz vom 22.06.2020). Bereits geplante Betriebskostendefizite müssten damit nicht von der künftigen Generation finanziert werden, was auch mit möglichen strukturpolitischen Erwägungen nicht gerechtfertigt werden kann. Der Rechnungshof verzögert somit nicht das Projekt, sondern empfiehlt den Entscheidungsträgern, im weiteren Verfahren die Gesichtspunkte der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit sowie einer generationengerechten Finanzierung des Vorhabens zu beachten.