Pressemitteilung: Höhe der Neuverschuldung nach dem Entwurf eines Zweiten Nachtragshaushalts 2020 und Errichtung eines Sondervermögens bedenklich

Ausgaben für Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und zur Stärkung der rheinland-pfälzischen Wirtschaft sowie massive Einbrüche bei den Steuereinnahmen erfordern einen weiteren Nachtragshaushalt 2020, der heute in die Beratungen des Plenums eingebracht wurde. Das schnelle Handeln des Landes zur Bewältigung der Krise wird vom Rechnungshof ausdrücklich begrüßt. Unabhängig hiervon erachtet er die Höhe der geplanten Neuverschuldung für bedenklich.

Zur Schließung der Finanzierungslücke von mehr als 3,5 Mrd. € sieht der Nachtragsentwurf im Wesentlichen eine Neuverschuldung von 3,45 Mrd. € vor. Davon entfallen 1,2 Mrd. € auf Netto-Kreditaufnahmen, die auf die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse gestützt werden, das heißt auf einen notwendigen Ausgleich eines erheblichen vorübergehenden Finanzbedarfs infolge der außergewöhnlichen Notsituation.

Die Ausnahmeklausel ist restriktiv zu handhaben. Nach Auffassung des Rechnungshofs steht es mit der Schuldenbremse nicht im Einklang, wenn die Kreditermächtigung nicht auf die Höhe des notsituationsbedingten Jahresbedarfs begrenzt wird, sondern Mittel für einen mehrjährigen Bedarf zulasten der Netto-Kreditaufnahme 2020 vorgesehen werden.

Zu einzelnen Kritikpunkten und Empfehlungen des Rechnungshofs:

  • In einem Sondervermögen "Nachhaltige Bewältigung der Corona-Pandemie" sollen Mittel von fast 1,6 Mrd. € für Ausgabeleistungen bis 2023 vorgesehen werden. Zur Finanzierung dieser Leistungen sind Zuführungen aus dem Landeshaushalt im Umfang von knapp 1,1 Mrd. € angesetzt, die zu der Neuverschuldung von 3,45 Mrd. € beitragen.

    Würden die Zuführungen an den Veranschlagungsgrundsätzen der Fälligkeit und Kassenwirksamkeit orientiert werden, könnten für das Jahr 2020 die Ausgabenansätze und die Neuverschuldung um mindestens 422 Mio. € reduziert werden. Denn in dieser Höhe sieht der Wirtschaftsplan des Sondervermögens Verpflichtungsermächtigungen vor, die bei entsprechender Inanspruchnahme erst in den Folgejahren zu Ausgaben führen werden.
  • Die Errichtung eines Sondervermögens berührt das parlamentarische Budgetrecht. Im Falle des Sondervermögens "Nachhaltige Bewältigung der Corona-Pandemie" ist nicht erkennbar, dass die Aufgaben nicht ebenso gut im Rahmen des Landeshaushalts (Kernhaushalts) erfüllt werden können.

    Coronabedingte Ausgaben sind auf das Sondervermögen und den Landeshaushalt verteilt. Teilweise sind hierfür dieselben Zweckbestimmungen vorgesehen. Deshalb dürfte die mit dem Sondervermögen angestrebte Transparenz kaum erreichbar sein. Auch im Hinblick auf die in einer Krisenzeit notwendige Planungssicherheit für die Betroffenen bietet der Wirtschaftsplan eines Sondervermögens keine Vorteile gegenüber der Ausbringung von Ausgabeansätzen und Verpflichtungsermächtigungen im Landeshaushalt. Hierzu bedarf es regelmäßig eines außerbudgetären Rechtsanspruchs.

    Im Ergebnis können die gebotene Transparenz, die Bündelung von Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und zur Stärkung der Wirtschaft sowie eine Zweckbindung der Mittel auch über den Landeshaushalt sichergestellt werden. Damit würde den grundsätzlich vorrangig zu beachtenden Verfassungsprinzipien der Vollständigkeit und Einheit des Haushaltsplans sowie den Haushaltsgrundsätzen der Klarheit und Wahrheit sowie Jährlichkeit Rechnung getragen und dem besonderen Gewicht des Budgetrechts des Landtags einschließlich seiner Kontrollfunktion entsprochen.
  • Unabhängig von der Frage, ob es der Errichtung eines Sondervermögens bedarf, ist der Veranlassungszusammenhang zwischen der notsituationsbedingten Kreditaufnahme von 1,2 Mrd. € und einigen im Wirtschaftsplan des Sondervermögens genannten Maßnahmen nicht immer erkennbar. Es bleibt abzuwarten, wie der Haushaltsgesetzgeber die Maßnahmen, die nach der Gesetzesbegründung möglichst zielgerichtet und ursachengerecht ausgestaltet sein sollen, um zu einer nachhaltigen Überwindung der Krise beizutragen, im Rahmen seines Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums bewerten wird.

  • Angesichts der geplanten höchsten Neuverschuldung des Landes sollten möglichst alle Konsolidierungskräfte des Haushalts zur Reduzierung der Netto-Kreditaufnahme ausgeschöpft werden. Hierzu dürften noch Potenziale bestehen.

    So wurden in der Vergangenheit der Haushaltssicherungsrücklage Beträge von 1,05 Mrd. € zugeführt. Der Rechnungshof verkennt nicht, dass es ökonomisch sinnvoll sein kann, eine Sicherheitsreserve aufgrund der erheblichen Risiken für den Haushaltsvollzug in den nächsten Jahren und einer möglichen Belastung des Landeshaushalts durch die Verstetigungswirkung der Stabilisierungsrechnung zugunsten der Kommunen im kommunalen Finanzausgleich vorzuhalten. Dennoch erscheint es auch im Hinblick auf die künftig zu leistenden hohen Darlehenstilgungen und Zinsausgaben sachgerecht, zumindest einen Teil der Rücklage 2020 zur Verringerung neuer Schulden zu verwenden.

    Des Weiteren könnte das Sondervermögen "Versorgungsrücklage des Landes" bestimmungsgemäß bereits 2020 zur Entlastung der Versorgungsausgaben insoweit eingesetzt werden, als der Bestand (Ende 2019 mehr als 537 Mio. €) nicht in Schuldscheindarlehen des Landes angelegt ist. Auch hierdurch ließe sich eine Absenkung der Neuverschuldung erreichen.