Kommunalbericht 2022: Konsolidierung der kommunalen Haushalte bleibt trotz teilweiser Entspannung eine Daueraufgabe

Am 17. November legte der Präsident des Rechnungshofs Rheinland-Pfalz, Jörg Berres, den Kommunalbericht 2022 vor. Sein Fazit: "Auch das zweite Pan­demiejahr konnten die Kommunen des Landes insgesamt mit einem Über­schuss abschließen. Das ist bereits der fünfte positive Saldo in Folge. Hohe Gewerbesteuereinnahmen haben sogar zu einem Rekord-Plus von fast 1 Mrd. € geführt. Dieses erfreuliche Gesamtergeb­nis bedeutet aber noch keine Entwarnung für die strukturellen Probleme der Kommunalfinanzen".

Denn zum einen schwanken die Einnahmen aus der Gewerbesteuer konjunk­turbedingt stark, wie der Kommunalbericht für mehrere Städte zeigt. Zum ande­ren wird das Gesamtergebnis maßgeblich durch Mainz und Idar-Oberstein bestimmt. Die beiden Städte trugen 712 Mio. € zum Gesamtüberschuss bei, während 930 Kommunen das Jahr 2021 mit einem Finanzierungsdefizit abschlossen. Ihnen fehlten 590 Mio. € zum Kassenausgleich. Fast die Hälfte des Defizits entfiel auf die Ortsgemeinden.

Nach 2020 wieder deutliches Plus bei allen Einnahmenarten, aber auch überdurchschnittliches Ausgabenwachstum

Nach dem im Wesentlichen pandemiebedingten Rückgang der Steuereinnah­men im Jahr 2020 ist für 2021 ein Anstieg um 1,3 Mrd. € auf 5,9 Mrd. € zu ver­zeichnen. Aber auch die Transferzahlungen des Landes an die Kommunen wuchsen an. So überschritten die Zuweisungen erstmals die Marke von 10 Mrd. €. Die kommunalen Gesamteinnahmen beliefen sich auf fast 18,1 Mrd. €, 12 % mehr als im Vorjahr.

Dem standen Ausgaben im Umfang von etwa 17,1 Mrd. € gegenüber. Die Ausgaben nehmen seit 20 Jahren kontinuierlich zu, zuletzt mit 7,4 % erheblich über dem langjährigen Durchschnitt. Dabei stiegen die Personalaus­gaben, seit 2019 die größte Position, weiter überdurchschnittlich an (+ 7,2 % gegenüber 2020). Davon entfällt zwar ein beträchtlicher Teil auf eine einzige Stadt, die ihre hohen Finanzierungsüberschüsse auch zur Stärkung der Versor­gungsrücklage nutzte. Hauptsächlich aber war der Anstieg eine Folge von zusätzlichen Personaleinstellungen (+ 4,3 % gegenüber 2020) und Gehaltssteigerungen.

Prozentual noch stärker wuchsen die Sachinvestitionen (+ 10,6 %). Sie lagen 2021 mit 1.485 Mio. € im vierten Jahr in Folge weit über dem langfristigen Durchschnitt, erreichten aber preisbereinigt nicht den Wert des Jahres 1991. Der Vergleich mit den anderen Flächenländern zeigt hier zweierlei: Die Investitionen der kommunalen Kernhaushalte werden nur in Nordrhein-Westfalen und im Saarland unterboten. Hingegen fallen die Investitionen der kommunalen Einrichtungen und Unternehmen nur in Hessen höher aus. In der Gesamtschau – Investitionen von Kernhaushalten und kommunalen Einrichtun­gen und Unternehmen – liegt Rheinland-Pfalz über dem Durchschnitt der ande­ren Länder.

Waren die Sozialausgaben im ersten Pandemiejahr noch deutlich angestiegen, lag ihr Zuwachs (+ 3,3 %) nun unter dem der anderen Ausgabenpositionen.

Weiter abwärts (- 1,1 %) ging es für die Zinsausgaben, für die insgesamt noch 214 Mio. € anfielen. Pro Kopf mussten die Gemeinden und Gemein­deverbände des Landes mit 52 € allerdings weiterhin mehr als das Doppelte des Flächenländerdurchschnitts für Zinsen ausgeben. Der rechnerische Durch­schnittszinssatz der rheinland-pfälzischen Kommunen lag 2021 bei 1,5 %. Ein Anstieg um einen Prozentpunkt hätte fast 120 Mio. € an zusätzlicher Zinsbelas­tung zur Folge. Die im Sommer 2022 von der Europäischen Zentralbank einge­leitete Zinswende könnte sich schon bald auf die Finanzen der Kommunen aus­wirken.

Eigener Schuldenabbau mit Licht und Schatten – spürbare Entlastung durch Teilentschuldung durch das Land

Lässt man Mainz und Idar-Oberstein außer Betracht, wurde die Gesamtver­schuldung um 155 Mio. € und damit in derselben Größenordnung abgebaut wie im Vorjahr (179 Mio. €). Einschließlich der Tilgungsleistung der beiden genann­ten Städte sank die kommunale Gesamtverschuldung auf 11,9 Mrd. €. Davon sind 5,7 Mrd. € Liquiditätskredite.

Der durch hohe Steuereinnahmen ermöglichte Schuldenabbau konnte jedoch nichts an der "Spitzenplatzierung" im Ländervergleich der Pro-Kopf-Verschul­dung ändern. Der Abstand zum Länderdurchschnitt ist nur gering­fügig kleiner geworden: Mit 2.904 € je Einwohner ist der Wert noch fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt der anderen Flächenländer (1.500 €).

Das Land plant, in den Haushaltsjahren 2023 und 2024 Liquiditätskredite der Kommunen in Höhe von 3 Mrd. € zu übernehmen. Bei ihren Zahlungen für Zin­sen und Tilgung der verbleibenden Schulden wird dies die Kommunen rechne­risch um etwa 120 Mio. € entlasten.

Hierzu bemerkte Präsident Berres: "Die Übernahme von 3 Mrd. € an Liquiditäts­kreditschulden durch das Land ist ein finanzpolitischer Kraftakt. Die Schulden lösen sich dadurch nicht in Wohlgefallen auf, sie werden den Landeshaushalt erheblich belasten. Der Rechnungshof hat darauf hingewiesen, dass die damit verbundene faktische Neuverschuldung des Landes dem Geist der ,bundesver­fassungsrechtlichen Schuldenbremse‘ widerspricht. Ein Zuschussprogramm wäre aus Sicht des Rechnungshofs rechtssicherer und zielführender gewesen. Unabhängig hiervon werden vor allem die hoch verschuldeten Kommunen von der Unterstützung des Landes profitieren und dauerhaft von Zins- und Tilgungs­ausgaben und künftigen Zinsänderungsrisiken entlastet."

Ein weiterer wichtiger Baustein für eine nachhaltige Verbesserung der kommu­nalen Finanzlage ist die Neuausrichtung des kommunalen Finanzausgleichs (KFA), zu der der Verfassungsgerichtshof das Land vor zwei Jahren verpflichtet hat. Eine angemessene Finanzausstattung wird sich künftig stärker an den Auf­gaben und am konkreten Finanzbedarf unter Berücksichtigung der Finanzkraft der Kommunen orientieren.

Für die Deckung ihres Finanzbedarfs werden aber auch die Kommunen in der Pflicht sein. Denn das VGH-Urteil führt nicht zu einer pauschalen Mittelerhö­hung. Wenn den Kommunen Finanzmittel fehlen, weil sie unwirtschaftlich arbei­ten oder Einnahmepotenziale nicht realisieren, wird das auch in Zukunft nicht als Bedarf gelten. "Die vom Rechnungshof immer wieder erhobene Forderung nach ausgeglichenen, rechtskonformen Haushalten bleibt daher unverändert bestehen. Eine wirtschaftlichere Aufgabenerledigung kann in vielen Kommunen einen spürbaren Beitrag zum Haushaltsausgleich leisten. Wenn dies nicht reicht, müssen notfalls Leistungen auf den Prüfstand gestellt und priorisiert wer­den. Als Ultima Ratio bleibt die Erhöhung der Einnahmen, nicht zuletzt der Realsteuerhebesätze, die nach wie vor im Vergleich der Flächenländer unter­durchschnittlich sind", führte Präsident Berres weiter aus.

Trotz KFA-Reform und Teilentschuldung bleiben für die Kommunalfinanzen alte Herausforderungen und kommen neue hinzu. Hierzu zählen die Reduzierung der noch verbleibenden Liquiditätskreditverschuldung, neue Belastungen durch die aktuelle Zinsentwicklung und die Bewältigung von Krisenfolgen. Ferner haben die über Jahrzehnte zu geringen Investitionen allein bei den kommuna­len Straßen und Brücken zu einem Investitions- und Erhaltungsstau von rund 2,5 Mrd. € geführt, der künftige Haushalte erheblich belasten wird. Die kommu­nalen Finanzbedarfe sollte man daher auch im Rahmen der Evaluierung des neuen KFA im Blick behalten. "Insgesamt gilt es für die Zukunft eine erneute Zunahme der Verschuldung mit Liquiditätskrediten zu vermeiden. Dazu müss­ten alle ihren Beitrag leisten, die Kommunen, aber auch das Land mit einer kon­sequenten Kommunalaufsicht. Bei unabweisbaren Finanzierungsdefiziten soll­ten auch Instrumente wie Härteausgleichsregelungen und Haushaltssiche­rungskonzepte genutzt werden", so Präsident Berres.

 

Neben der Analyse der Haushaltslage enthält der Kommunalbericht 2022 Bei­träge zu folgenden Themen:

  • Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen – Leistungs­arten präziser abgrenzen und Regelungen zu Kosten der Unterkunft und Heizung anpassen
  • Beiträge für Einrichtungen im Außenbereich – Investitionen und Unter­haltung bei Feld-, Weinbergs- und Waldwegen rechtskonform finanzieren

 

Hier finden Sie den Kommunalbericht 2022 sowie die Pressemitteilung mit Kurzfassungen der Fachbeiträge und ausgewählten Grafiken.