Kommunalbericht 2021: Rückläufige Überschüsse bei bundesweit höchster Verschuldung

"Finanziell sind die Kommunen relativ glimpflich durch das erste Jahr der Pandemie gekommen. Der Einbruch der Steuereinahmen wurde durch Bund und Land mehr als kompensiert. Unter dem Strich steht für 2020 sogar der vierte Kassenüberschuss seit 2017", resümierte Rechnungshofpräsident Jörg Berres anlässlich der Vorstellung des Kommunalberichts 2021.

Der Gesamtüberschuss blieb mit 198 Mio. € allerdings um 25 % unter dem Vorjahresergebnis. „Ein Blick hinter die Durchschnittswerte offenbart, dass die strukturellen Probleme der Kommunalfinanzen weiterhin nicht gelöst sind“, so Berres. 39 % der Kommunen schlossen das Haushaltsjahr 2020 mit Defiziten ab. Ihnen fehlten zusammen 457 Mio. € zum Kassenausgleich. Besonders große Anteile an diesem Defizit hatten acht der zwölf kreisfreien Städte (zusammen - 100 Mio. €) und 875 Ortsgemeinden (- 231 Mio. €).

Kompensierte Einnahmeausfälle, höhere Ausgaben

Die kommunalen Einnahmen erhöhten sich 2020 um 3,0 % (466 Mio. €) auf 16.133 Mio. €. Während vor allem die Steuereinnahmen erstmals nach zehn Jahren um rd. 290 Mio. € (6 %) einbrachen, glichen die um 737 Mio. € gestiegenen Zuweisungen das Einnahmeminus mehr als aus. Vor allem die Einnahmen aus der Gewerbesteuer unterliegen größeren konjunkturellen Schwankungen, die Haushaltsplanungen der Kommunen erschweren. So verzeichnete beispielsweise Ludwigshafen am Rhein im ersten Pandemiejahr gegenüber 2019 einen Einbruch um 56 % (- 87 Mio. €). Dieser wurde zwar von Bund und Land durch Gewerbesteuerkompensationszahlungen (über-)kompensiert, was indessen nicht ausreichte, um ein deutliches Anwachsen des Haushaltsdefizits zu vermeiden.

Die Ausgaben stiegen wie im Vorjahr stärker als die Einnahmen, und zwar um 3,4 % oder 531 Mio. € auf 15.935 Mio. €. Größter Ausgabenblock blieben die Personalausgaben (3.465 Mio. €). Ihr Anstieg um 4,4 % war auch Folge von Lohn- und Bezügeerhöhungen und lag im Trend der Vorjahre. Auffällig ist im ersten Jahr der Pandemie der Anstieg der Sozialausgaben (4,6 %), die seit 2016 stagniert hatten. Auch beim Sachaufwand ist mit einem Plus von 6,1 % ein überdurchschnittlicher Aufwuchs festzustellen, der nicht zuletzt auf enorme Herausforderungen der Kommunen bei der Bewältigung der Pandemie zurückzuführen ist.

Die Sachinvestitionen der Kernhaushalte konnten gegenüber den Vorjahren weiter zulegen (um 4 % auf 1.343 Mio. €), lagen aber mit 330 € je Einwohner deutlich unter dem Durchschnitt der Flächenländer (459 €). Ebenso blieb die Zunahme der Investitionen seit 2011 mit einem Plus von 21 % im Ländervergleich merklich zurück (andere Flächenländer: + 60 %). Auch lagen die Investitionsausgaben preisbereinigt weiterhin erheblich unter dem Niveau der 1990er Jahre. Der Rechnungshof hat allein für die kommunalen Straßen und Brücken zuletzt einen Nachholbedarf von bis zu 2,5 Mrd. € errechnet. Die Investitionen der mehrheitlich kommunalen Unternehmen und Einrichtungen waren hingegen überdurchschnittlich.

Die Zinsausgaben haben sich aufgrund des niedrigen Zinsniveaus seit 2008 auf 216 Mio. € halbiert. Dennoch mussten die rheinland-pfälzischen Gemeinden und Gemeindeverbände 116 Mio. € mehr für Zinsen ausgeben als der Durchschnitt der anderen Flächenländer, Finanzmittel, die für andere Zukunftsaufgaben fehlen.

Schuldenabbau schleppend - Entschuldung weiter offen

Auch im Pandemiejahr 2020 konnten die Kommunen ihre Gesamtverschuldung etwas reduzieren, um 179 Mio. € auf 12.397 Mio. €. Fast die Hälfte (6,1 Mrd. €) entfiel auf Liquiditätskredite. Gleichwohl blieb die kommunale Gesamtverschuldung je Einwohner 2020 mit mehr als 3.000 € rund doppelt so hoch wie der Durchschnitt der anderen Flächenländer. Das Saarland, dessen Kommunen bei ihrer Entschuldung seit 2020 durch das Land unterstützt werden, wurde als „Spitzenreiter“ abgelöst. Die Stadt Pirmasens und der Landkreis Kusel (zusammen mit seinen Gemeinden) führen die Listen der bundesweit am höchsten verschuldeten Kommunen an. Aber nicht nur strukturschwache Kommunen sind hier zu finden, sondern auf Platz 6 auch die finanzstarke Stadt Ludwigshafen am Rhein. Ferner konnten die Kommunen anderer Flächenländer ihre Schulden in den steuerstarken Jahren seit 2015 nachhaltiger abbauen als rheinland-pfälzische Kommunen.

Konsolidierung vorantreiben – KFA-Reform nutzen

„Das drängendste Problem ist unverändert die Konsolidierung der Kommunalfinanzen. Weiterhin hohe Haushaltsdefizite vieler Kommunen und der zunehmende Abstand zu anderen Flächenländern unter anderem bei den Steuereinnahmen, dem Abbau der Verschuldung und dem Zuwachs an Investitionen unterstreichen den Handlungsbedarf“, betonte Präsident Berres.

Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom Dezember 2020 verpflichtet den Gesetzgeber, zum 1. Januar 2023 einen aufgaben- und bedarfsorientierten kommunalen Finanzausgleich (KFA) zu gewährleisten. Diese Reform des KFA sollte, so Berres, dazu beitragen, die aufgezeigten strukturellen Probleme zu mindern und eine Sanierung der Kommunalfinanzen zu ermöglichen.

Wesentliche Bausteine einer Konsolidierung sind geringere Ausgaben und, wenn alle Einsparpotenziale ausgeschöpft sind, als Ultima Ratio auch höhere Steuerhebe- und Kreisumlagesätze sowie sonstige Einnahmen, wie etwa Gebühren. Bei den Einnahmen hat der Rechnungshof mehrfach die nicht genutzten Spielräume aufgezeigt. So fehlten bei den Einnahmen aus Realsteuern im Mittel der Jahre 2017 bis 2019 pro Kopf 14 % zum Durchschnitt der anderen Flächenländer. Hätten die rheinland-pfälzischen Kommunen für 2020 Realsteuer-Hebesätze auf dem Niveau des Länderdurchschnitts beschlossen, wären rechnerisch Mehreinnahmen von 156 Mio. € möglich gewesen (davon 86 Mio. € aus der Grundsteuer B). Bei einigen kreisfreien Städten sind für den gesetzlichen Haushaltsausgleich gegebenenfalls auch Anpassungen über den Flächenländerdurchschnitt erforderlich.

Erfreulich sei in diesem Zusammenhang, so Präsident Berres, dass Mainz und Idar-Oberstein derzeit mit hohen Gewerbesteuereinnahmen rechnen dürfen, die vorrangig zur Schuldentilgung genutzt werden sollen. Aufgrund der Volatilität der Gewerbesteuer empfiehlt der Rechnungshof darüber hinaus, überdurchschnittliche Einnahmen nach dem Abbau der Schulden auch für Rücklagen zur Verbesserung der Krisenresilienz zu nutzen.

Bei der Reduzierung der Ausgaben sind wie bei der Erhöhung der Einnahmen alle rechtmäßigen Möglichkeiten zu ergreifen, um den Haushaltsausgleich herbeizuführen. In seinen Prüfungen und Berichten, wie auch dem aktuellen Kommunalbericht, gibt der Rechnungshof regelmäßig konkrete Hinweise für Einsparmöglichkeiten.

Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs ist in Anbetracht der komplexen Aufgabe, der vielen zu lösenden Fragen und der kurzen verfügbaren Zeit auch aus Sicht des Rechnungshofs eine große Herausforderung. Hiermit ist aber erstmals auch die Chance verbunden, den Finanzbedarf der verschiedenen kommunalen Gebietskörperschaften systematisch zu erfassen und damit die Grundlage für eine sachgerechtere Verteilung der Mittel zu schaffen. Die zahlreichen Hinweise des Verfassungsgerichtshofs zu dieser Reform sollten dabei im Blick behalten werden. Hierzu zählt unter anderem, dass manche Aufgabenbereiche möglicherweise chronisch unterfinanziert sind. Der Rechnungshof hat diesbezüglich auf den Investitionsstau im Bereich der kommunalen Straßen und Brücken hingewiesen.

Bei der Ermittlung der Finanzausgleichsmasse sollten die kommunalen Einnahmemöglichkeiten ausgeschöpft und Solidarbeiträge starker Kommunen berücksichtigt werden. Zur weiteren Verringerung von Disparitäten zwischen den Kommunen empfiehlt der Rechnungshof, die Verteilung der Finanzmittel noch stärker an der Finanzkraft der Kommunen auszurichten. Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, um einen Haushaltsausgleich zu ermöglichen, hat der Verfassungsgerichtshof auch auf die Möglichkeit der Bereitstellung zusätzlicher Mittel für den Ausgleich besonderer kommunaler Härten sowie zum Abbau der hohen Verschuldung hingewiesen. „Eine konkrete Lösung zur wirksamen Rückführung der Verschuldung sollte hierbei vereinbart werden. Damit die Reform dauerhaft zu einer verbesserten Finanzlage und zur Beachtung des Gebots des Haushaltsausgleichs führt, ist aber eine konsequente Begleitung durch die Kommunalaufsicht und nötigenfalls die Einforderung rechtmäßiger Haushaltssatzungen erforderlich“, bemerkte Präsident Berres abschließend.

 

Neben der Analyse der Haushaltslage liefert der aktuelle Kommunalbericht auch wieder anschauliche Beispiele für vermeidbare Ausgaben, entgangene Einnahmen und unwirtschaftliches Handeln. Konkret enthält er Beiträge zu den Themen:

  • Unterbringung von Flüchtlingen durch Kommunen – hohe Kostenunterschiede, Leerstände und unzureichende Ersätze
  • Mittagsverpflegung in Schulen – kommunale Aufgabe mit Verbesserungspotenzial
  • Kommunale Geldanlagen bei der Greensill Bank AG – nicht ausreichend sicher und teilweise mit Liquiditätskrediten finanziert
  • Ortsbezirke in kreisfreien Städten – Wirtschaftlichkeit der Organisationsstrukturen nicht immer gewährleistet
  • Erhaltungsmanagement von Gemeindestraßen – Fortschreibung von Untersuchungsergebnissen offenbart Licht und Schatten

Die PDF-Version der Pressemitteilung mit Grafiken und Kurzzusammenfassungen der weiteren Beiträge sowie den Kommunalbericht finden Sie hier.