Jahresbericht 2022: Den Landeshaushalt für die Zukunft rüsten: Ausgaben priorisieren, Überschüsse zur Schuldentilgung nutzen

"In den Haushaltszahlen spiegeln sich Auswirkungen der Corona-Krise wider, die für das Land mit großen Belastungen, aber auch unerwarteten Finanzergebnissen verbunden waren. Schloss das Jahr 2020 noch mit einem Finanzierungsdefizit von 1,3 Mrd. € ab, so führten 2021 insbesondere deutliche Steuermehreinnahmen zu einem Finanzierungsüberschuss von 2,3 Mrd. € (vorläufiges Rechnungsergebnis). Für die Jahre 2022 bis 2025 plant die Landesregierung wieder mit neuen Schulden von 1,2 Mrd. €", kommentierte Rechnungshofpräsident Jörg Berres anlässlich der Vorstellung des Jahresberichts 2022.

Für das Haushaltsjahr 2020, für das die Landesregierung Entlastung beantragt hat, wies die Haushaltsrechnung eine strukturelle Netto-Kreditaufnahme von 0 € aus, um der neuen Schuldenregel zu entsprechen. Für die Berechnung wird die tatsächliche Netto-Kreditaufnahme (1.295 Mio. €) um den Saldo finanzieller Transaktionen (76 Mio. €) und um konjunkturelle Einflüsse (- 1.202 Mio. €) sowie die Kreditaufnahme wegen außergewöhnlicher Notsituationen (169 Mio. €) bereinigt. Zur Frage, ob die unter Berufung auf die außergewöhnliche Notsituation eingeplanten Kredite verfassungsgemäß waren, ist noch ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz anhängig.

Die Schulden stiegen um 1,3 Mrd. € auf 32,7 Mrd. €. Auch wenn Rheinland-Pfalz den Abstand zu den anderen Ländern derzeit verkürzt, lag die Verschuldung je Einwohner noch um fast ein Viertel über dem Durchschnitt der anderen Flächenländer.

Zudem ist der stetige Anstieg der Ausgabereste (bis 2020 auf 2,5 Mrd. €) ein Risiko für die Landesfinanzen. Wären diese 2020 verausgabt worden, so wäre die mit 32,7 Mrd. € ausgewiesene Gesamtverschuldung des Landes auf 35,2 Mrd. € angestiegen. Die Landesregierung hatte 2018 angekündigt, eine Stabilisierung der Ausgabereste durch eine restriktive Bewilligungspraxis anzustreben.

In die Investitionsausgaben im Kernhaushalt des Jahres 2020 von 1,7 Mrd. € sind auch als Investitionen verbuchte Zahlungen an das Corona-Sondervermögen von über 0,5 Mrd. € eingerechnet. Tatsächlich wurden davon jedoch nur fast 100.000 € in Investitionen umgesetzt. Der Rest kann noch bis Ende 2023 ausgegeben werden. Dennoch hatte Rheinland-Pfalz im Vergleich der Flächenländer eine niedrige Investitionsquote von 8,1 %. Werden die Investitionen der Landesbetriebe (287 Mio. €) hinzugerechnet, steigt die Quote auf 9,5 %. Um darüber hinaus den Länderdurchschnitt (10,0 %) zu erreichen, fehlten immer noch fast 100 Mio. €. Auch angesichts des seit längerem bekannten Investitionsbedarfs bei den Landesstraßen von 1 Mrd. € sind höhere Investitionen erforderlich.

Aus dem Finanzierungsüberschuss für das Haushaltsjahr 2021 von 2,3 Mrd. € tilgte die Landesregierung 1,5 Mrd. € Kreditmarktschulden und führte 0,8 Mrd. € Rücklagen zu. Davon sind 500 Mio. € zur Übernahme kommunaler Liquiditätskredite und 250 Mio. € für ein kommunales Investitionsprogramm vorgesehen. Die Tilgungen waren aufgrund der konjunkturbedingten Steuermehreinnahmen weit überwiegend durch die Schuldenregel vorgeschrieben. Freiwillige Tilgungen lagen nur in Höhe von 186 Mio. € vor.

Präsident Berres: "Aus Überschüssen sollten verstärkt Schulden getilgt statt weitere Rücklagen gebildet werden. Gerade die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass der Staat auf Herausforderungen entschlossen reagieren kann. Dafür sind solide Finanzen erforderlich. Die Rücklage ist nach dem Haushaltsgesetz nur für die Absicherung der Zahlungen nach dem Landesfinanzausgleichsgesetz, zur Vermeidung von Netto-Kreditaufnahme oder zur Schuldentilgung einzusetzen. Mit den Rücklagenmitteln von mittlerweile 1,8 Mrd. € könnte vollständig auf die für 2022 geplante Netto-Kreditaufnahme am Kreditmarkt von 894 Mio. € verzichtet werden. Ferner könnte beispielsweise der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung vollständig entschuldet werden (676 Mio. €)."

Zur geplanten Übernahme kommunaler Liquiditätskredite in Milliardenhöhe erklärte Rechnungshofpräsident Berres: "Der Rechnungshof hält die Entschuldung der Kommunen für sinnvoll. Er empfiehlt jedoch jährliche Zuschüsse zur Entschuldung. Diese könnten an einen Haushaltsausgleich oder Haushaltssicherungsmaßnahmen gekoppelt werden, um einer erneuten Verschuldung der Kommunen zu begegnen.
Zuschüsse sind auch rechtssicherer als eine Schuldübernahme. Ein Modell in Hessen, das Schuldübernahmen vorsah, wurde in Gutachten als Krediteinnahme des Landes eingestuft. Wird für eine Schuldübernahme die Landesverfassung geändert, müssen die Vorgaben des Artikels 109 Abs. 3 Grundgesetz eingehalten werden.
Unabhängig davon empfiehlt der Rechnungshof, bereits auf Verfassungsebene die Kredithöhe zahlenmäßig zu benennen und den Zeitraum, in dem Schulden übernommen werden können, klar zu begrenzen. Außerdem sollte eine verbindliche Tilgung wie bei notsituationsbedingten Krediten vorgeschrieben werden."

Um den Haushalt für die Zukunft zu rüsten, ist es erforderlich, Prioritäten neu zu setzen. So könnten konsumtive Ausgaben und Finanzhilfen reduziert werden zugunsten notwendiger Investitionen. Neue Aufgaben könnten durch Einsparungen wie den Abbau von Personal finanziert werden. Nach dem Stellenabbauprogramm der Landesregierung sollten von 2016 bis Ende 2021 rund 1.850 Stellen entfallen. Tatsächlich überschreitet die Stellenzahl im Haushalt 2022 die von 2016 um mehr als 2.200.

Der Jahresbericht 2022 gibt mit seinen Prüfungsergebnissen weitere Hinweise auf Einspar- und Einnahmenpotenziale, die unter anderem durch verbesserte Planungen und Geschäftsprozesse sowie die wirksame Wahrnehmung von Steuerungs- und Kontrollfunktionen erzielt werden können.

 

Die vollständige Pressemitteilung und den Jahresbericht finden Sie hier.