Jahresbericht 2021: Krisenbedingte Steuermindereinnahmen erfordern neue Prioritätensetzung

"Die Folgen der Corona-Pandemie haben der zuletzt guten Entwicklung der Landesfinanzen ein jähes Ende gesetzt. Dem bisherigen Abbau von Schulden wird eine deutlich höhere Neuverschuldung folgen. Wurden von 2016 bis 2019 noch über 2 Mrd. € Kreditmarktschulden zurückgeführt, geht die Landesregierung nunmehr bis 2024 von einem Schuldenzuwachs um fast 3,6 Mrd. € auf 35 Mrd. € aus", kommentierte Rechnungshofpräsident Jörg Berres anlässlich der Vorstellung des Jahresberichts 2021.

Im vierten Jahr in Folge verbuchte das Land für das geprüfte Haushaltsjahr 2019 insbesondere aufgrund eines erneuten Anstiegs der Steuereinnahmen einen Überschuss beim Finanzierungssaldo; für das geprüfte Haushaltsjahr 2019 betrug dieser 1.258 Mio. €. Es konnten mehr Investitionen getätigt, Schulden getilgt und weitere Rücklagen gebildet werden. Die ab 2020 geltende neue Schuldenregel wurde – wie bereits 2018 – vorzeitig eingehalten.

Der Schuldenstand des Landes ging auf 31,4 Mrd. € zurück. Die Verschuldung je Einwohner lag damit aber immer noch fast ein Drittel über dem Durchschnitt der anderen Flächenländer. Diesen innerhalb von 30 Jahren zu erreichen, würde eine Tilgung von mehr als 235 Mio. € jährlich erfordern.

Zudem ist der stetige Anstieg der Ausgabereste von 2011 bis 2019 auf über 2,1 Mrd. € ein Risiko für die Finanzierung künftiger Haushalte. Es bleibt abzuwarten, ob eine restriktive Bewilligungspraxis der Landesregierung zu einer wirksamen Rückführung der Ausgabereste führen wird.

Mit dem Anstieg der Investitionsausgaben im Kernhaushalt auf über 1 Mrd. € wurde deren Rückgang seit 2013 gestoppt. Gleichwohl belegte Rheinland-Pfalz im Vergleich der Flächenländer mit einer Investitionsquote von 5,8 % den vorletzten Platz. Werden die Investitionen der Landesbetriebe (292 Mio. €) hinzugerechnet, steigt die Quote auf 7,5 %. Um darüber hinaus den Länderdurchschnitt (10,7 %) zu erreichen, fehlten immer noch über 500 Mio. €. Auch angesichts des seit längerem bekannten Investitionsbedarfs bei den Landesstraßen von 1 Mrd. € sind höhere Investitionen erforderlich, um dem Vermögensverzehr entgegenzuwirken und neue Zukunftsaufgaben wirksam zu gestalten.

Der Krise mit gezielten Maßnahmen begegnen

Die Bewältigung der Corona-Krise stellt das Land vor große finanzielle Herausforderungen. Nach dem vorgelegten vorläufigen Rechnungsergebnis wies das Land 2020 mit 1.346 Mio. € erstmals seit 2015 wieder ein Finanzierungsdefizit aus. Davon entfielen 169 Mio. € auf notsituationsbedingte Kredite. Die Gesamtverschuldung stieg auf 32,7 Mrd. €.

"Die neue Schuldenregel ermöglicht es, in außergewöhnlichen Notsituationen neue Kredite aufzunehmen, um zusätzliche pandemiebedingte Ausgaben zu finanzieren. Sie hat sich bereits im ersten Jahr ihrer Geltung grundsätzlich bewährt", betonte Präsident Berres.

Verfassungsrechtliche Bedenken hatte der Rechnungshof hinsichtlich der Aufnahme notsituationsbedingter Kredite bei gleichzeitigen Mittelzuführungen an das eigens geschaffene Sondervermögen "Nachhaltige Bewältigung der Corona-Pandemie" geltend gemacht. Das Sondervermögen hat ein Volumen von 1,6 Mrd. €, davon 1,1 Mrd. € Mittel des Landes. Ausgaben aus dem Sondervermögen dürfen längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 geleistet werden. Dadurch wurde die notsituationsbedingte Kreditaufnahme nicht auf den tatsächlichen Jahresbedarf beschränkt. Zudem ist der Veranlassungszusammenhang zwischen dieser Kreditaufnahme und einigen Maßnahmen im Wirtschaftsplan des Sondervermögens, die auch andere politische Aufgaben wie den Klimaschutz betreffen, fraglich. Eine notsituationsbedingte Kreditaufnahme ist jedoch nur im erforderlichen Umfang zulässig. Durch die – vom Rechnungshof vorgeschlagene – Veranschlagung des jahresbezogenen Bedarfs wäre hingegen im Haushaltsvollzug 2020 die notsituationsbedingte Kreditaufnahme vollständig vermieden worden.

Abgesehen von dieser Frage sollten im Haushaltsvollzug 2021 und in den künftigen Haushaltsplanungen neben gezielteren Maßnahmen zur Krisenbewältigung auch weitere Möglichkeiten zur Minderung der Neuverschuldung konsequent genutzt werden. Die großen Herausforderungen rechtfertigen es, Prioritäten neu zu setzen, beispielsweise durch die Reduzierung oder Verschiebung von konsumtiven Ausgaben oder Finanzhilfen zugunsten notwendiger Investitionen oder die Finanzierung neuer Aufgaben durch Einsparungen wie den Abbau von Personal. Nach dem Stellenabbauprogramm der Landesregierung sollten von 2016 bis Ende 2020 1.681 Stellen entfallen. Tatsächlich überschreitet die Stellenzahl im Haushalt 2021 die von 2016 um mehr als 1.800.

Des Weiteren kann der Schuldenanstieg verringert werden, wenn von den Beständen der Haushaltssicherungsrücklage sowie der Versorgungsrücklage von zusammen über 1,5 Mrd. € Teile zur Reduzierung der Kreditaufnahme genutzt werden.

Der Jahresbericht 2021 gibt mit seinen Prüfungsergebnissen weitere Hinweise auf Einspar- und Einnahmenpotenziale, die unter anderem durch verbesserte Planungen und Geschäftsprozesse sowie die wirksame Wahrnehmung von Steuerungs- und Kontrollfunktionen erzielt werden können.

 

Die vollständige Pressemitteilung und den Jahresbericht finden Sie hier.